Verantwortlichkeiten sind einer der drei Teile einer Rolle (die anderen sind Sinn und Zweck [Purpose] und Domäne) und sie sind die bekanntesten. Hier ist, was du wissen musst, um einen schnellen Überblick zu haben …
- Verantwortlichkeiten sind wiederkehrende Aktivitäten
- Verantwortlichkeiten sind Zuweisungen von Aufmerksamkeit
- Du hast volle Befugnis der Interpretation
- Verantwortlichkeiten teilen keine Ressourcen zu
- Verantwortlichkeiten definieren Erwartungen
- Was du tun solltest, wenn eine Verantwortlichkeit fehlt
- Verantwortlichkeiten gewähren keine Befugnis
1. Verantwortlichkeiten sind wiederkehrende Aktivitäten
Die Holacracy Verfassung definiert Verantwortlichkeiten als die „wiederkehrenden Aktivitäten“ einer Rolle, weshalb das Verb in der Verantwortlichkeit [im Englischen] immer am Anfang des Satzes steht und in der „-ing“-Form endet (z.B. „Implementing…“, „Designing…“, „Executing…“). Und das gilt unabhängig von Umfang oder Größe der Arbeit.
[A.d.Ü: Im Deutschen gibt es keine korrespondierende „-ing“-Form, weshalb es aus Klarheitsgründen zu empfehlen ist, das Verb in seiner nicht substantivierten Form ans Ende des Satzes zu stellen, d.h. statt „Planung von…“ besser: „…planen.“, oder „Design von…“ besser: „…designen.“, etc. So kommt das Verb, d.h., die erwartete wiederkehrende Aktivität besser raus.]
In diesem Sinne bedeutet eine Verantwortlichkeit im Grunde, „Die Arbeit, die eine Rolle tun soll.“ Hier sind einige Beispiele:
- Webinare durchführen
- Die verfassungsmäßig erforderlichen Meetings des Kreises moderieren
- Alle Prozesse entwickeln und durchführen, die nötig sind, um sich effektiv auf externe Projekte zu bewerben, sie zu beurteilen und durch Fördergelder zu finanzieren
Doch es gibt hier einen Vorbehalt. Denn obwohl wir generell sagen, dass eine Verantwortlichkeit die Arbeit ist, die eine Rolle tut, heißt das nicht, dass du es tatsächlich tun wirst – nur, dass du es regelmäßig in Erwägung ziehen wirst, es zu tun. Warum ist das so?
Nun, das ist so, weil Verantwortlichkeiten ein Governance-Konstrukt sind und dir Governance per Definition nur eine Landkarte der Erwartungen, Autoritäten und Einschränkungen gibt (um mehr über Governance zu erfahren, lies diesen Artikel). Also ist eine Verantwortlichkeit in gewissem Sinne in Wirklichkeit…
2. Eine Zuweisung von Aufmerksamkeit
Als ein Konstrukt von Governance bedeutet eine Verantwortlichkeit, dass von dir erwartet wird etwas Zeit und Aufmerksamkeit darauf zu verwenden, die definierte Arbeit in Erwägung zu ziehen, doch es lässt die Frage offen, wann oder ob du es tatsächlich tun wirst. Mit anderen Worten, es bricht die Frage „Was sollte ich tun?“ auf zwei verschiedene Fragen herunter:
Frage #1: „Worauf sollte ich meine Aufmerksamkeit verwenden?“ –>
Frage #2: „Von all den Dingen, auf die ich zu achten verantwortlich bin, was davon sollte ich jetzt tun? (d.h. heute, diese Woche, in diesem Moment, etc.)?“
Lass uns jede Frage genauer betrachten.
Frage #1: „Worauf sollte ich achten?“
Verantwortlichkeiten sagen deiner Rolle, worauf sie achten soll. Es ist, als ob wir alle Wachdienst haben und eine Verantwortlichkeit bedeutet im Grunde, „Achte auf diesen Bereich“, oder „kümmere dich um diesen Bereich“. Eine Verantwortlichkeit, „Finanzielle Aufzeichnungen führen“, bedeutet also, dass diese Rolle sich um alles in Bezug auf Buchhaltung kümmert und in dem Wissen, dass du das tust, können die anderen ihre Bereiche leichter beobachten (d.h. wenn ich weiß, dass du dich um die Hintertür kümmerst, dann kann ich aufmerksamer sein bei der Bewachung der Eingangstür).
Verantwortlichkeiten werden in den Governance Meetings eines Kreises definiert (d.h. eine Rolle kann ihre eigene Verantwortlichkeiten nicht außerhalb eines Governance Meetings definieren), was bedeutet, dass sie von der Ebene des Teams kommen. Im Arbeitsalltag tun also alle, was sie für das Beste halten, doch sie tun nicht nur das.
„Ok Team, wer ist verantwortlich für was?“
Sie benutzen Governance auch als gemeinsames Handbuch der Erwartungen und Verantwortlichkeiten. Und es gibt nicht das eine Individuum, das bestimmt, wer was tut – die Gruppe entscheidet, wie das Handbuch aussieht, indem sie ihre Spannungen eine nach der anderen prozessiert. Mit dem Handbuch, das definiert, wer was tut, kann jedes Individuum jeden Tag sein eigenes bestes Urteilsvermögen nutzen.
Frage #3: Von all den Dingen, auf die ich zu achten verantwortlich bin, was davon sollte ich jetzt tun?
Jetzt, wo die Parameter deiner Aufmerksamkeit definiert worden sind, was tust du nun tatsächlich? Ah, gute Frage! Doch interessanterweise beantworten Verantwortlichkeiten sie nicht für dich.
Das ist deshalb so, weil es sich in Wirklichkeit um eine Frage der verfügbaren Zeit, der Energie, des Kontexts und der Priorisierung handelt. Während Lead Links dafür zuständig sind, Prioritäten zu definieren, kann das andere Zeug nicht wirklich für dich definiert werden.
Betrachte es mal so – man könnte sagen, dass ein Mensch Verantwortlichkeiten wie „essen“, „arbeiten“ und „schlafen“ hat, doch als Erwachsener kann jeder von uns für uns selbst herausfinden, wann und ob wir diese Dinge tun. Es ist eigentlich eher eine Sache, die wir von Moment zu Moment entscheiden.
Sobald du also den Marschbefehl von deinem Kreis bekommen hast (d.h. deine Verantwortlichkeiten), dann ist was und wann du diese Dinge tatsächlich tust, eine Frage, die du für dich selbst auf der operationalen Ebene beantwortest. Du kannst das tun, denn…
3. Du hast volle Befugnis der Interpretation
Unabhängig davon, wie eine Verantwortlichkeit definiert ist, gibt dir die Verfassung als Rollenfüller*in immer die volle Befugnis deine beste Interpretation zu nutzen (§3.4).
Lass mich das am besten noch mal sagen…
ALS ROLLENFÜLLER*IN HAST DU DIE VOLLE BEFUGNIS, DEINE INTERPRETATION ZU NUTZEN, UM DIE VERANTWORTLICHKEITEN DEINER ROLLE LEBENDIG ZU MACHEN.
Ich betone das, denn, wann immer wir mit Sprache zu tun haben, haben wir auch mit Interpretationsproblemen zu tun. Und es ist unmöglich, perfekte Klarheit zu haben.
„Hase? Ente?“
Stattdessen können wir durch Governance genug Klarheit bekommen, so dass die Dinge weiterlaufen. Und falls Interpretationskonflikte auftreten sollten (was geschehen wird), stellt Holacracy Pfade bereit, um damit umzugehen (d.h. bitte den Secretary um eine temporäre Auslegung [§3.4.1], und/ oder schlage einfach eine Klärung in der Governance vor).
Lass uns z.B. sagen, du hast eine Verantwortlichkeit „Zulieferer benachrichtigen, wenn sich die Bestellungen ändern“. Tja, das könnte bedeuten, dass du dir zwei Minuten nimmst, um eine E-Mail zu verschicken, oder es könnte bedeuten, dass du mehrere Monate darauf verwendest und 15.000 $ ausgibst, um ein automatisiertes System zu entwickeln. Es gibt nicht nur eine Interpretation.
Das ist gleichzeitig auch der Grund für die nächste Aussage ...
4. Verantwortlichkeiten teilen keine Ressourcen zu
Da Verantwortlichkeiten dem*der Rollenfüller*in zur Interpretation offen stehen, teilen sie nicht notwendigerweise irgendeine spezifische Menge von Zeit, Energie oder Geld zu. Wie lange würde es dich kosten, um eine Verantwortlichkeit zu energetisieren wie, „Einen Newsletter veröffentlichen“?
Wir können es nicht wissen. Es gibt keinen objektiven Standard. Es könnte eine Stunde oder ein Jahr dauern. Das ist wichtig zu verstehen, insbesondere während Governance Meetings, wenn Einwände erhoben werden wie, „Wir haben keine Zeit, um das zu tun“. Das ist kein gültiger Einwand, weil eine Verantwortlichkeit keine Ressourcen zuweist.
Es ist nur eine Zuweisung von Aufmerksamkeit. Deshalb fragt der Facilitator vielleicht, „Stell dir vor wir hätten unendlich Zeit und Geld – hättest du diesen Einwand dann immer noch?“ Normalerweise lautet die Antwort „nein“.
Hinweis: Es gibt Ausnahmen, in denen die Antwort „ja“ sein könnte. Wie eine Verantwortlichkeit, die folgendermaßen formuliert ist, „Täglich das Büro reinigen“, oder „Sicherstellen, dass alle elektronischen Dokumente an mindestens drei Speicherorten gespeichert sind. Letztere könnte den Einwand hervorrufen, „Selbst mit unendlich viel Zeit und Ressourcen würde es noch immer keinen Sinn machen, zu versuchen alle Dokumente an drei Speicherorten abzulegen. Und obwohl ich weiß, dass ich das interpretieren kann, wie ich möchte, gibt es nicht viel Raum für Interpretation.“ Und schließlich, wenn du verstehen willst, wie man mit Dingen wie Arbeitszeitregelungen besser umgehen sollte, statt zu versuchen sie in Verantwortlichkeiten zu verpacken, dann lies diesen Artikel.
Verfolgen ist etwas anderes als Tun
Es ist besonders wichtig sich zu erinnern, dass „Verantwortlichkeiten keine Ressourcen zuweisen“, wenn andere auf deine Verantwortlichkeiten verweisen, um Projekte anzufragen (mehr dazu unter #5). Hast du zum Beispiel jemals ein Projekt abgelehnt (oder wolltest es ablehnen), weil du keine Zeit hast? Oder weil du wichtigere Sachen zu tun hast?
Tja, das vermischt schon wieder zwei Fragen, welche die Holacracy-Praxis getrennt betrachtet...
Frage zuerst: „Welche Arbeit passt zu meiner Rolle?"
Dann frage: „Von der Arbeit, die zu meiner Rolle gehört (d.h. die Arbeit, die ich verfolge), was davon sollte ich jetzt tun (d.h. heute, diese Woche, in diesem Moment, etc.)?“
Das heißt, wenn jemand ein Projekt oder einen nächsten Schritt von deiner Rolle anfragt, lautet die erste Frage, die du stellst, immer „Passt diese Arbeit zu meiner Rolle?“ (oder „Interessiert das meine Rolle?“) Wir möchten nur wissen, wo die Arbeit lebt und Verantwortlichkeiten helfen uns dabei.
Weil eine Verantwortlichkeit zu haben nicht zwangsläufig bedeutet, dass du ihr irgendeinen objektiven Standard von Zeit, Geld oder Energie widmen musst, heißt es in Wirklichkeit, dass es nicht mal zwangsläufig bedeutet, dass du es jemals tun wirst. Erinnere dich, dass es wirklich nur eine Zuweisung von Aufmerksamkeit bedeutet. Du musst nur bewusst in Erwägung ziehen es zu tun.
Stell dir vor, dass deine Designer Rolle ein Projekt hat, „Neues Logo ist designt“, doch später, da du keinerlei Aktion in Bezug auf das Projekt unternommen hast, findest du heraus, dass die Kunden eine Verbundenheit mit dem gegenwärtigen Logo verspüren und es Sinn macht es zu behalten. Würdest du das Logo Projekt behalten? Ich hoffe nicht. Das heißt, sogar obwohl du zugestimmt hast, dass es zu deiner Rolle passt, und du es auf dem Projektboard des Kreises verfolgt hast, ist letztlich niemals etwas damit passiert.
Noch mal: Nur weil du ein Projekt verfolgst, bedeutet es nicht, dass du es tun wirst. Natürlich heißt das ebensowenig, dass du es nicht tun wirst – es heißt nur, dass es eines der vielen Dinge ist, aus denen du wählen musst. Doch wenn du es niemals aufgeschrieben hast, wie kann es jemals relativ zu allem anderen priorisiert werden?
Schließlich: Denke daran, dass Verantwortlichkeiten keine Ressourcen zuteilen (#4). Also selbst wenn eine Verantwortlichkeit sagt, „Geld für Partys ausgeben“, gibt es dir per Definition nicht die Befugnis, das zu tun – es definiert einfach nur welche Rolle sich für diese Funktion „interessiert“. Hinweis: Die Befugnis Geld auszugeben ist schwierig zu erklären. Fürs Erste merke dir einfach, dass die Befugnis Geld auszugeben standardmäßig beim Lead Link des größten Kreises in deiner Organisation liegt und von dort aus in einer Kaskade abwärts weitergegeben wird.
Erinnere dich, dass eine Verantwortlichkeit lediglich spezifisch definierten, wiederkehrenden Aktivitäten Aufmerksamkeit zuweist. Und mit diesem Wissen im Hinterkopf können wir unsere Arbeit selbst organisieren und koordinieren, denn...
(Hinweis: Wenn du mehr darüber erfahren willst, wie Projekte in der Holacracy Praxis funktionieren, dann lies diesen Artikel.)
5. Verantwortlichkeiten definieren Erwartungen
Verantwortlichkeiten sind ein Weg, um Erwartungen zu operationalisieren. Spezifischer gesagt: Wenn deine Rolle eine Verantwortlichkeit hat, bedeutet das zwei Dinge; 1) es wird von dir erwartet, dass du sie proaktiv energetisierst, und 2) andere können erwarten, dass du basierend darauf Arbeit annimmst. Lass uns noch mal jedes dieser Elemente unabhängig voneinander betrachten.
A) Es wird von dir erwartet, dass du proaktiv bist
Gemäß der Verfassung stimmst du, wann immer du eine Rolle füllst – jegliche Rolle- dem folgenden zu:
- Spannungen wahrzunehmen und zu prozessieren, die du in Bezug auf ihre Verantwortlichkeiten fühlst (§1.2.1)
- Proaktiv Arbeit identifizieren, um ihre Verantwortlichkeiten zum Ausdruck zu bringen (§1.2.2)
- Mindestens einen expliziten nächsten Schritt zu definieren für jegliches Projekt in Bezug auf die Verantwortlichkeiten der Rolle (§1.2.3)
- Deine Projekte, nächsten Aktionen und Spannungen in einer Datenbank zu verfolgen (z.B. irgendwo außerhalb deines Geistes, gleich ob in einem Notizbuch oder in einer Software) (§1.2.4)
- Deine Aufmerksamkeit priorisieren, um die Aufgaben zu erledigen, welche zu jedem Zeitpunkt am wertvollsten wären, solange es in Übereinstimmung steht mit jeglicher Priorisierung, die durch die Strategie des Kreises oder den Lead Link vorgegeben ist (§1.2.5) & (§4.1.3)
Also wann immer du einwilligst eine Rolle anzunehmen, dann stimmst du gleichzeitig zu, durch diese generellen Erwartungen gebunden zu werden (mach dir keine Sorgen sie dir alle zu merken – deswegen schreiben wir sie auf).
B) Es wird von dir erwartet, dass du Arbeitsanfragen verarbeitest
Zusätzlich zu dem, dass du proaktiv überlegst, wie du deine Verantwortlichkeiten energetisierst, können andere sich jetzt auf deine Verantwortlichkeiten beziehen, um Dinge von dir anzufragen. In dieser Hinsicht ist eine Verantwortlichkeit fast wie ein Vertrag oder eine Vereinbarung.
Wenn also eine deiner Verantwortlichkeiten lautet, „Webseite entwickeln und Domainnamen registrieren“, und ich bitte dich ein Projekt anzunehmen wie „Landingpage für die neuen FAQs ist erstellt“, dann kann ich erwarten, dass du es annehmen wirst.
Und das ist eine der stärksten Weisen, wie Holacracy Praxis deine Art zu arbeiten verändern kann. Denn es ist als ob du und ich zusammengekommen wären und eine Vereinbarung getroffen hätten – du hättest gesagt, „Hey, wenn du in Zukunft jemals von mir eine Webseite entwickelt oder einen Domainnamen registriert haben willst, dann lass es mich einfach wissen und es wäre mir eine große Freude“, und ich hätte gesagt, „Ok, cool. Du bist super!“ Wenn also die Zeit kommt, um diese Webseite anzufragen, dann brauche ich dir keinen Honig um den Bart schmieren oder um den heißen Brei herumreden. Ich kann einfach fragen.
Um ein Gefühl dafür zu bekommen, stell dir vor, du bist eine Servicekraft in einem schicken Restaurant und wenn du einen Gast nach seiner Bestellung fragst, sagt er „Oh ja, … es tut mir so leid, ich weiß nicht ob das möglich ist… und ich möchte wirklich keine Umstände machen, es ist einfach so, dass ich einen langen Tag hatte, und noch mal, ich hasse es ihnen Umstände zu machen, doch wenn sie Zeit haben… und es ihnen nichts ausmacht… könnte ich vielleicht einfach möglicherweise ein Glas Wasser bekommen?“ Du würdest ihm wahrscheinlich am liebsten eine runterhauen.
„Bitte lass mich dir keine runterhauen müssen.“
Du hast bereits zugestimmt eine Servicekraft zu sein. Es ist also nicht so, als ob du den Gästen einen Gefallen tust. Du willst nur deinen Job machen. So fühlt es sich an, wenn du vorher eine Vereinbarung getroffen hast. Wir können einfach weitermachen. Wie haben bereits vereinbart, dass du unsere Rollen energetisierst, also was soll all das Süßholzgeraspel? Ich will einfach nur wissen, „Was brauchst du?“
Und da Verantwortlichkeiten nicht zwingend Ressourcen zuteilen, und da das Verfolgen etwas anderes ist als das Tun, so frage dich wenn jemand ein Projekt von dir anfragt, NICHT, „Möchte ich das tun?“ oder „Habe ich Zeit dafür?“ oder gar „Ist es wichtig?“
Das sind wichtige Fragen. Doch stell sie dir später. Zuerst frage dich selbst, „Passt das zu den Verantwortlichkeiten (oder dem Sinn und Zweck) meiner Rolle?“ Falls es das tut, nimm es mit auf deine Projektliste auf. Danach überlege dir, wo es in deine Prioritäten fallen könnte.
Oder, falls du etwas von jemand anderem anfragen willst, frage dich selbst, „Wer hat bereits zugestimmt, an solchem Zeug zu arbeiten?“ Oder, „Wer hat die Befugnis, diese Entscheidung zu treffen?“ Und wie könntest du die Antwort finden? Schau dir die Verantwortlichkeiten (oder den Purpose) der Rolle an.
Natürlich ist es sehr wahrscheinlich, dass du Lücken in der Governance finden wirst, insbesondere zu Anfang eurer Praxis. In diesen Fällen musst du wissen…
6. Was du tun solltest, wenn eine Verantwortlichkeit fehlt
Du willst zum Beispiel, dass jemand neue Bürostühle besorgt und die „Büroeinrichtung“ Rolle erklärt dir, „Nicht meine Verantwortlichkeit.“ Oder ein Kunde kommt mit einem Spezialwunsch, doch es ist nicht klar, welche Rolle befugt ist, ihn zu gewähren. Das ist ok. Denn Rollen und Verantwortlichkeiten sind nur der Startpunkt.
Lass uns z.B. annehmen, dass dein Kreis viele komplexe Kennzahlen durchzusehen hat und das Managen der Daten während des Meetings zu viel Zeit braucht. Jemand muss eine Software ausfindig machen, um das Problem zu lösen und du bist der einzige Person im Team mit dieser Expertise.
Die Versuchung an diesem Punkt ist, zu fragen, „Sollte ich das machen?“ oder „Habe ich die Zeit, um das zu machen?“ Doch es sind die falschen Fragen. Stattdessen erinnere dich, dass die erste Frage, die du stellen solltest, lautet: „Wer hat BEREITS zugestimmt, an solchem Zeug zu arbeiten?“ Wer ist zuständig?
Ist es der Facilitator? Der Lead Link? Der Secretary? Nein, nein und nein. Ah! Jetzt, bevor wir weitermachen, um das Problem auf operationale Weise zu lösen, haben wir etwas herausgefunden und das muss erfasst werden. Also schön der Reihe nach. Du (oder wer auch immer die Lücke bemerkt) erfasst eine Spannung für das nächste Governance Meeting, und indem du das tust, wirst du die Leistungsfähigkeit der Organisation ausbauen. Also wirst du hoffentlich nicht noch mal die „wer-kümmert-sich-um-diese-Art-von-Arbeit?“-Frage neu aufrollen müssen. Gut gemacht!
„Individuelle Aktion“ ist, wenn du Zeug außerhalb deiner Rollen tust
Sobald das erledigt ist, frage dich selbst, „Muss vor diesem Governance Meeting operational irgendwas getan werden?“ Und falls ja, tue es! So einfach ist das. Und da es nicht in einer Rolle ist, würdest du den Secretary einfach bitten, es als „individuelle Aktion“ (§4.3) festzuhalten. Das bedeutet im Grunde, dass die Arbeit außerhalb deiner gegenwärtigen Rollen liegt, doch dass es trotzdem etwas ist, das den Kreis oder die Organisation insgesamt interessiert.
Nun hast du also zwei Dinge getan. Du kümmerst dich um die langfristige Frage der Klärung der Verantwortlichkeit durch den Governance Prozess UND du kümmerst dich auch um das kurzfristige operative Problem.
Wenn du neu in der Holacracy Praxis ist, denkst du schnell, dass du – gerade weil wir so viel Zeit damit verbringen, nach Rollen zu fragen (z.B. „Aus welcher ROLLE sprichst du?“ oder „Zu welcher ROLLE willst du sprechen?“) – etwas falsch gemacht hast, wenn du die Antwort nicht weißt. Doch das sind Verständnisfragen. Keine Urteile. Die Rolle nicht zu kennen, oder auf eine fehlende Verantwortlichkeit zu stoßen, ist in Ordnung. Der Punkt ist, dass wir hier nicht aufhören.
Lücken zu finden ist also ein natürlicher Teil der Praxis. Und da jede Veränderung durch eine gefühlte Spannung angetrieben werden muss (d.h. sie darf nicht rein intellektuell sein), füllen wir nur die Lücken, die wir füllen müssen. Also ist es wichtig, sich die folgende Aussage zu merken…
7. Verantwortlichkeiten gewähren keine Befugnis
Das am weitesten verbreitete Missverständnis über Verantwortlichkeiten ist, dass sie dir Erlaubnis geben, Dinge zu tun. Das tun sie nicht. Die Verwirrung entsteht, weil Erlaubnis in der konventionellen Management Hierarchie anders funktioniert, als innerhalb der Regeln von Holacracy.
In der Essenz lautet die Standardannahme für konventionelle Organisationen, „Jede Handlung ist verboten, es sei denn, sie ist explizit erlaubt durch die legitime Befugnis,“ gegenüber dem Holacracy Ansatz, „Jede Handlung ist erlaubt, es sei denn, sie ist explizit verboten durch die legitime Befugnis.“
Spektrum des erlaubten Handelns in konventionellen und mit Holacracy betriebenen Organisationen – Quelle
Wenn man das bedenkt, dann ist es leicht zu verstehen, warum jemand annehmen würde, dass er*sie eine Verantwortlichkeit, „Konferenzräume auf Anfrage zuteilen“ braucht, um es zu tun (oder um andere davon abzuhalten es zu tun). Doch wenn du wirklich jemanden davon abhalten willst, etwas zu tun, dann brauchst du eine Richtlinie, und wenn du einer Rolle exklusive Kontrolle über etwas geben willst, dann brauchst du eine Domäne.
Ohne eine Richtlinie oder Domäne kann technisch gesprochen jede*r Konferenzräume zuteilen. Doch ist das ein Problem? Vielleicht nicht. Wenn du die einzige Person mit Admin Zugang zum Raumreservierungssystem bist, dann macht es keinen Unterschied, selbst obwohl die Regeln es technisch gesehen erlauben. In Wirklichkeit kann niemand anderes es tun.
Und deswegen ist es wichtig sich zu erinnern, dass Verantwortlichkeiten immer „spannungsgetrieben“ sein sollten. Wenn du etwas wie, „Konferenzräume auf Anfrage zuteilen“, bereits als Teil des Sinn und Zwecks deiner Operations-Rolle betrachtest, dann brauchst du die Verantwortlichkeit nicht.
Beispiel
Die Symptome dieses Missverständnisses sind ziemlich klar. Etwa Rollen zu haben mit langen Listen hochdetaillierter Verantwortlichkeiten. Oft wird das gemacht, weil angenommen wird, dass die Verantwortlichkeiten alles spezifizieren müssen, was die Rolle vielleicht tun können muss. Doch nochmal, so funktionieren sie nicht.
Diese Verwirrung entsteht manchmal, weil, wenn wir umgangssprachlich sagen, dass sich eine Rolle um etwas “kümmert”, oder dass Praktizierende sich ihre Rollen „zu eigen machen“ sollen, es scheint, als sei eine Verantwortlichkeit „Arbeit, die du exklusiv besitzt“. Doch erinnere dich, dass in Holacracy Exklusivität der Kontrolle definiert wird, indem man Domänen verwendet – wir sagen „mach dir deine Rolle zu eigen“, als eine nützliche Vereinfachung der Erwartung proaktiv zu sein, wie in #5 beschrieben.
Ein weiteres häufiges Beispiel ist, wenn jemand fortwährend vorschlägt, neue Verantwortlichkeiten zu seiner eigenen Rolle hinzuzufügen. Als ob er den anderen sagen wollte „Kommt mir nicht zu nahe! Das sind meine Bereiche!“ In diesem Fall lass uns das Beispiel betrachten, wo jemand anderes etwas tut, für das normalerweise du zuständig bist.
Lass uns sagen, dass du für „Mülleimer ausleeren“ zuständig bist, und Cheryl entscheidet sich eines Tages herumzugehen und sie zu leeren (Cheryl ist etwas merkwürdig). Dein erster Instinkt könnte sein, dich angegriffen zu fühlen. Letztlich sagt sie damit doch im Grunde, dass du deinen Job nicht machst, nicht wahr!?
Also eigentlich, wahrscheinlich nicht. Cheryl fühlt eine Spannung und sie handelt, um sie zu lösen. Das wär's auch schon. Wenn sie irgendwas macht, dann deiner Rolle zu helfen, ihren Sinn und Zweck zu erfüllen. Sogar obwohl sie weiß, dass deine Rolle zuständig ist, denkt sie, dass es einfach mehr Sinn macht, es selber zu tun.
Wir wollen also niemanden daran hindern, für sich selbst zu sorgen. Wenn deine Vertriebsrolle eine Kundenbroschüre für einen potentiellen neuen Kunden braucht, doch die Marketing Rolle die Verantwortlichkeit hat, „Verkaufsbroschüren designen“, dann sollte dich das nicht daran hindern, dir selber eine zu erstellen. Wenn du willens und fähig bist es selber zu tun, dann lautet die einzige Frage, die du stellen solltest, „Gibt es eine Domäne oder Richtlinie, die mich daran hindert, das zu tun?“ Falls nicht, gib Gas! Und anstatt das Schlimmste anzunehmen, vertraue darauf, dass andere ihre Spannung verarbeiten werden – für den unwahrscheinlichen Fall, dass deine Aktion wirklich eine erzeugt haben sollte.
Fazit
Verantwortlichkeiten sind viele verschiedene Dinge. Sie sind, „die Arbeit, die eine Rolle tut“, „wiederkehrende Aktivitäten“, „Zuweisungen von Aufmerksamkeit“ und „definierte Erwartungen“. Sie sind wie eine gemeinsam geteilte Landkarte der Erwartungen und Verantwortlichkeiten, definiert auf der Ebene des Kreises (d.h. im Team), doch stets offen für individuelle Interpretation und Anwendung.
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- Lies “Introducing the Holacracy Practitioner Guide” um mehr Artikel zu finden.
Dieser Blogbeitrag erschien erstmals auf dem Blog von HolacracyOne. Das Original findest du hier. Die Übersetzung stammt von Xpreneurs mit freundlicher Genehmigung von HolacracyOne.
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