Wir rekapitulieren nochmal kurz: Unic hatte sich dazu entschlossen, seine Organisationsform auf Holacracy umzustellen. Es folgten drei Monaten intensiver Planung, Vorbereitung und der Übertragung der gesamten Unternehmensstruktur in ein Holacracy Kreismodell. Den offiziellen Startschuss bildete die “Launch-Woche”. In 40 Kreisen fanden zum ersten Mal Holacracy Meetings statt. Xpreneurs hat sie dabei begleitet.
Dies ist der dritte Teil einer Fallstudie zur Einführung von Holacracy bei Unic. Die weitere Teile können über folgende Links erreicht werden:
- Teil 1: Holacracy bei Unic – die Suche
- Teil 2: Holacracy bei Unic – Pre-Launch
- Teil 3: Holacracy bei Unic – Der Sprung ins kalte Wasser
- Teil 4: Holacracy bei Unic – Die Praxis im Alltag entwickeln
Endlich war es soweit: In einem feierlichen Festakt unterschrieb die ehemalige Geschäftsleitung die Verfassung, womit sie symbolisch ihre Macht und Entscheidungsgewalt auf das Regelwerk der Holacracy-Verfassung übertrug, das künftig als Grundlage für die Organisation der Arbeit innerhalb der Firma fungieren sollte.
In der Launch-Woche fanden in jedem der 40 Kreise die ersten Holacracy Tactical und Governance Meetings statt. Für die meisten der 250 Mitarbeitenden war es das erste Mal, dass sie dieses Meeting-Formate selbst erlebten. Waren die Formate ungewohnt? Natürlich. Gab es neben Neugier und freudiger Erwartung auch Skepsis? Ganz klar. Jetzt war Praxis gefragt und die fühlt sich bekanntlich immer anders an als eine Vorbereitung in der Theorie. Unic hatte dazu in der Vorbereitung einen Change Office Kreis gegründet und zahlreiche Lernangebote, wie Videos, Online-Dokumente oder Frage-und-Antwort-Foren zur Verfügung gestellt. Doch waren diese freiwillig und so startete der eine mehr, der andere etwas weniger sachkundig das neue Arbeitsformat.
Im Vorfeld hatten zudem sieben Mitarbeitende von Unic ein Practitioner Training besucht und schon einige praktische Erfahrungen mit dem Holacracy Format gesammelt. Diese fungierten intern als Multiplikatoren und konnten den Prozess für den Start schon kräftig unterstützen.
So eine Launch-Woche ist natürlich auch für uns Xpreneurs immer eine besonders intensive Zeit. Bei 250 Mitarbeitenden war die Launch-Woche bei Unic eine ganz besondere Mammutaufgabe und die Planung und Zuteilung der Facilitatoren in die 40 verschiedenen Kreise eine logistische Meisterleistung.
Wir möchten unseren Kunden einen optimalen Start in ihre Holacracy Praxis ermöglichen und begleiten sie durch verschiedene Phasen der Transformation. Unser Konzept sieht vor, dass während der Zeit des Launches und der Transition erfahrene Facilitatoren durch die Meetings führen. Dies ist wichtig, um den Mitarbeitenden ein Gefühl der Sicherheit und Struktur in den ungewohnten Prozessen zu geben. Zum anderen passiert es in den ersten Wochen ganz automatisch, dass wir in alte Muster zurückfallen, wenn wir neue Praktiken noch nicht sicher beherrschen. Ein erfahrener Facilitator (so heisst die Rolle in Holacracy, welche durch die Meetings führt) kann dann dabei helfen, das Einschleichen von Fehlern von Anfang an zu vermeiden und damit eine sichere Praxis zu kultivieren.
In der folgenden Phase führen bereits die von den Kreisen selbst gewählten Facilitatoren die Meetings, werden aber noch von den Holacracy-Coaches unterstützt und begleitet. Zu guter Letzt nehmen die Holacracy-Coaches nur noch eine beobachtende Rolle ein, bleiben im Hintergrund und intervenieren höchstens im Zweifelsfall. Dies ist dann die Phase des “Shadowings”, wenn sich der begleitende Experte nur mehr wie ein Schatten verhält.
Wie eine Organisation Holacracy einführt und welche Vorgehensweise am besten passt, entscheidet jedes Unternehmen selbst. Je nach Firmengrösse und Budget macht es Sinn, dass alle Mitarbeitenden ein Practitioner Training absolvieren, damit sie die Meeting-Formate anhand von Simulationen üben, bevor sie damit ins laufende Geschäft starten. Oft ist dies aber nicht möglich. Wir haben bei der Begleitung von Unternehmen die Erfahrung gemacht, dass sich insbesondere in der ersten Zeit einige schwer widerrufliche Gewohnheiten einschleichen können, weshalb wir dazu raten, sich zumindest in der ersten Phase durch externe Coaches begleiten zu lassen. Unic hatte sich mit der Multiplikatoren-Strategie für einen Mittelweg entschieden.
Und wie häufig, wenn man sich an neue Arbeitsweisen gewöhnt, begegneten uns in der Zusammenarbeit auch gewisse Frustrationseffekte. Einige empfanden es zum Beispiel als schwierig, wenn sie nicht einfach darauf los reden konnten, wann sie wollten. Andere wussten vielleicht nicht genau, wann oder wo sie einen Punkt einbringen durften. Es kostet Energie, sich auf Holacracy Meetings umzustellen und das in einer Situation, in der gleichzeitig reale Themen vorangebracht und Probleme gelöst werden müssen. Am Ende der ersten Meetings blieb häufig der Eindruck, während des Meetings überhaupt nichts Inhaltliches besprochen, sondern die meiste Zeit mit sogenannten „Time Outs“ verbracht zu haben (Time Outs nennt man die Pausen im Prozess, die der Facilitator nutzen kann, um Fragen zum Prozess zu klären). Als Berater versuchen wir natürlich, solche Gefühle des Frustes aufzufangen und zu bearbeiten. So nahmen sich auch die Facilitatoren bei Unic anfangs viel Zeit, immer wieder Fragen zum Kontext und Prozess zu beantworten. Dieses „Framing“ wurde mit zunehmender Praxis immer weniger notwendig und konnte gegen Ende der Eingewöhnungsphase auf sporadische Einzelfälle reduziert werden.
Eine weitere Lösung waren sogenannte Reflexionsrunden nach der offiziellen Beendigung der Meetings. Sobald die gewählten Sekretäre die Meetings beendet hatten, konnten sich die Teilnehmenden “freestyle” und in keinem speziellen Format über ihre unterschiedlichen Erfahrungen und Eindrücke austauschen. Ausserdem trafen sich während der Launch-Woche alle Facilitatoren täglich, später wöchentlich, um den Verlauf, die Stimmung und die Herausforderungen in den jeweiligen Meetings zu besprechen. Gemeinsam werteten die internen Facilitatoren und externen Coaches z.B. Teilnahme oder Produktivität der Meetings statistisch aus. In besonderen Fällen konnte auch Ivo Bättig als Implementation Lead Fragen klären oder Schwierigkeiten nachgehen, wo es nötig war.
Bis eine reife und evolutionäre Praxis erreicht ist, kann es schon einmal 2 Jahre dauern. Die ersten 3-6 Monate sind jedoch entscheidend dafür, wie gut die Mitarbeitenden sich mit dem neuen Arbeitsformat zurechtfinden und lernen, damit umzugehen. Deshalb möchten wir unseren Kunden insbesondere während der Launch-Phase, der Eingewöhnungsphase und der Frühen Praxis so eng wie gewünscht zur Seite stehen.
Insgesamt stellt Ivo Bättig in einem Interview fest, dass die Facilitatoren relativ schnell „fit in der Facilitation“ waren und dass diejenigen, die sich erst an das Meeting-Format gewöhnen musste, eine hohe Bereitschaft demonstrierten, sich auf das Neue einzulassen. Dies war selbst der Fall, obwohl sich die Mitarbeiter nicht selbst für Holacracy entschieden hatten, sondern die Umstellung von der Geschäftsleitung beschlossen worden war. Für die meisten Beteiligten war dies ein Sprung in das kalte Wasser, aber auch eine Bereicherung im Arbeitsalltag. Wie die Holacracy Praix bei Unic nach den ersten paar Wochen lief und was die aktuellen Herausforderungen sind, erfahrt ihr in unserem letzten Blogbeitrag dieser Serie.