Es liegt ein neuer Ton in der Luft. Wer genau hinhört, hört ihn in den Podcasts der neuen Rechten, in Kolumnen alter Konservativer, in den Feuilletons der Frustrierten: Der sogenannte „Vibe-Shift“ ist mehr als ein modischer Ausdruck für kulturelle Müdigkeit. Er ist Ausdruck einer kollektiven Rückwärtsbewegung – zurück zu Kontrolle, zu Autorität, zu einem Menschenbild, das Autonomie und Ambiguität nicht aushält.
In dieser Stimmung erlebt auch das Konzept der Selbstorganisation in Unternehmen einen Backlash. Was gestern noch als progressiv gefeiert wurde – partizipative Führung, psychologische Sicherheit, Bedürfnisorientierung – wird heute allzu leicht als naiv, ineffizient und elitär abgetan. Besonders in Bezug auf Krisenmanagement scheint das Versprechen von New Work zu kippen: „Die Menschen wollen doch gar keine Verantwortung!“ – so der neue, altbekannte Refrain.
Doch vielleicht liegt im Rückschlag auch eine Chance. Vielleicht ist es an der Zeit, die einseitige Überbetonung menschlicher Bedürfnisse – die sich im organisationalen Kontext allzu schnell in eine individualisierte Anspruchshaltung verwandeln kann – im Spannungsfeld größerer Polaritäten zu betrachten: zwischen Autonomie und Orientierung, zwischen Bedürfnis und Beitrag, zwischen psychologischem Schutzraum und ökonomischer Realität.
Denn Schutzbedürftigkeit ist real. Die Zahl der Menschen mit psychischen Diagnosen wie Burnout und neuerdings auch ADHS steigt. Gleichzeitig stehen Unternehmen unter einem wachsenden Druck, sich in global ungleichen Wettbewerbssituationen zu behaupten – unter immer kürzeren Innovationszyklen, massiver Beschleunigung durch KI und wachsender Komplexität.
Was wir brauchen, ist nicht die Rettung eines Konzepts, sondern ein vertieftes, reiferes Verständnis von Führung, das weder ins Autoritäre kippt noch im Therapeutischen stecken bleibt. Ein Verständnis, das Richtung und Orientierung nicht von Einzelnen erwartet – sondern sie als kollektiven, aber nicht gleichmacherischen Prozess begreift. Einen Prozess, der Unterschiedlichkeit integriert, Verantwortung differenziert verteilt und dennoch auf effiziente Weise zu tragfähigen Entscheidungen führt.
Selbstorganisation in der Praxis: Missverständnisse, Erwartungen und Realität
Selbstorganisation wurde und wird in vielen Organisationen als Antwort auf steigende Komplexität und dynamische Märkte gesehen. Doch zu häufig wird sie entweder idealistisch überhöht oder Versuche der “Implementierung” (häufig via Projektmanagement) vorschnell aufgegeben. Gerade weil der Begriff in den letzten Jahren zunehmend mit hohen Erwartungen aufgeladen wurde – mehr Motivation, mehr Innovationskraft, mehr Sinn – lohnt sich ein Blick auf die Mythen, die sich darum ranken. Die folgenden Missverständnisse zeigen, wie leicht Selbstorganisation in der Praxis verzerrt und falsch verstanden wird – und was dabei auf der Strecke bleibt.
Missverständnis 1: Selbstorganisation entsteht "von selbst" durch Verflachen von Hierarchien
Ein verbreiteter Irrglaube ist, dass Selbstorganisation durch das Abschaffen von Hierarchien quasi "automatisch" entsteht. Tatsächlich braucht auch Selbstorganisation klare Strukturen, Rollen und Verantwortlichkeiten. Strukturelle Hierarchien sind nicht per se negativ; sie bieten Orientierung, ermöglichen Fokus und sind wichtig für Koordination.
Zugleich zeigen Beispiele wie der Transformationsprozess bei Bayer, wo mehrere mittlere Führungsebenen abgeschafft wurden, dass das "Flachmachen" von Hierarchien nicht automatisch zu mehr Agilität führt. Schattenhierarchien bleiben ein Thema, häufig verlangsamen sich übergreifende Koordinationssprozesse und viele Mitarbeitende fühlen sich mit den neuen Anforderungen überfordert oder allein gelassen. Selbstorganisation ohne explizite Entscheidungsstrukturen führt nicht zur Emanzipation, sondern zu Unsicherheit.
Ansätze wie Holakratie zeigen, dass es möglich ist, klassische Management-Hierarchien durch andere Strukturen und Regelungen zu ersetzen – aber eben nicht ersatzlos zu streichen. Statt Positionen gibt es dort Rollen, statt Abteilungen sogenannte Kreise, und statt persönlicher Autorität gelten verfassungsbasierte Entscheidungsregeln.
Organisationen müssen bestimmte Funktionen erfüllen, um überlebensfähig zu bleiben. Schon Stafford Beer entwickelte in den 1970er-Jahren auf dieser Grundlage das Viable System Model (VSM), das bis heute zu den fundiertesten Strukturmodellen organisationaler Komplexitätsbewältigung gehört. Das Modell beschreibt fünf essenzielle Systemfunktionen – darunter Koordination, Steuerung, strategische Orientierung und Adaption – die jede lebensfähige Organisation dauerhaft sicherstellen muss.
Wenn nun formale Hierarchien abgebaut werden, ohne dass diese Funktionen anderweitig abgebildet werden, entsteht keine neue Freiheit, sondern eine strukturelle Leerstelle. Erfahrungen mit dem Konzept der Holakratie zeigen, dass diese Funktionen durchaus auch in einem System ohne Personen-Hierarchie erfüllt werden können – allerdings genügt es nicht, Hierarchieebenen zu streichen. Man muss ihre Funktionen absichtsvoll neu organisieren.
Missverständnis 2: Selbstorganisation führt zu Chaos und Ineffizienz
Selbstorganisation wird häufig mit dem Vorwurf konfrontiert, sie sei ineffizient und führe zu Chaos. Tatsächlich zeigen sich in Unternehmen, die Selbstorganisation ohne klare Prozesse oder Zuständigkeiten einführen, immer wieder ähnliche Muster: Entscheidungswege bleiben diffus, Verantwortlichkeiten unklar, Meetings ziehen sich in die Länge, Konflikte schwelen unter der Oberfläche – oder eskalieren ungeklärt.
Gerade in größeren Organisationen braucht es eine verlässliche Rahmung, damit Selbstorganisation funktionieren kann. Der Organisationssoziologe Stefan Kühl weist darauf hin, dass Selbststeuerung in kleinen Teams häufig intuitiv gelingen kann, in größeren Strukturen jedoch ein Mindestmaß an formalen Regeln notwendig ist – sonst kippt das System in informelle Machtspiele oder lähmende Unklarheit.
Wenn Organisation als Maschine gedacht wird, erscheint jede Abweichung wie ein Defekt – und nicht wie ein notwendiger Lernimpuls. In diesem Bild ist Effizienz das Maß aller Dinge – und alles, was nicht sofort rund läuft, gilt als ineffizient und damit falsch.
Missverständnis 3: Selbstorganisation ist ein Modekonzept ohne Substanz
Gerade wenn Selbstorganisation scheitert – wenn Ziele verschwimmen, Teams sich selbst überlassen bleiben oder die erhoffte Agilität ausbleibt – wird das Konzept schnell als kurzlebiger Trend abgetan. Manche Stimmen bezeichnen es als überhöhten Anspruch an eine Arbeitsform, die sich in der Realität nicht bewährt.
Doch diese Kritik verfehlt oft den Kern: Wenn Organisationen lediglich auf Prinzipien wie Vertrauen oder Offenheit setzen, aber keine strukturellen Prozesse schaffen, um Verantwortung klar zuzuordnen und Entscheidungen zu ermöglichen, verpufft ihr Potenzial. Selbstorganisation bleibt dann ein Begriff ohne Verankerung in der Praxis.
Selbstorganisierte Teams brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, abgestimmte Entscheidungsprozesse, gemeinsame Ziele und eine Kultur, die Transparenz und Verantwortung fördert. Nur dann kann Selbstorganisation zur Grundlage für resiliente, lernende Organisationen werden – statt als Schlagwort in Präsentationen zu verblassen.
Zwischen Fürsorge und Leistungsdruck: Wo steht New Work heute wirklich?
New Work versprach einst mehr Freiheit, Sinn und Menschlichkeit in der Arbeitswelt. Heute steht das Konzept unter Verdacht zu weich, zu wenig krisenfest, zu sehr auf individuelle Bedürfnisse fixiert zu sein. Zwischen Purpose-Rhetorik, Feedbackkultur und Feelgood-Formaten bleibt oft unklar: Geht es hier noch ums Unternehmen – oder - wie böse Stimmen unterstellen - um Therapie?
Inmitten einer Welle psychischer Belastungen, steigender Diagnosen (wie ADHS) und gesellschaftlicher Polarisierung entsteht ein Spannungsfeld: Wer schützt die Überforderten – und wer schützt die Organisation vor überhöhten Ansprüchen? Wo endet Fürsorge, wo beginnt Verantwortungsdiffusion? Diese Fragen berühren das Herz moderner Führungsmodelle – und die Umsetzung agiler Leadership.
Regelmäßig aktualisierte Forschung wie das New Work-Barometer von Carsten Schermuly zeigen, dass viele Unternehmen mit der praktischen Umsetzung von New Work noch ringen. Zwar werden Begriffe wie “Empowerment”, “Selbstorganisation” oder “Agile Leadership” häufig verwendet – doch steckt ihre Umsetzung noch in den Kinderschuhen. Mehrere Studien (siehe Literaturhinweise) warnen, dass unklare Prozesse, fehlende Ausrichtung und zunehmender Leistungsdruck Mitarbeiter, Teams und Führungskräfte belastet und psychische Folgen haben kann. Da ist es nachvollziehbar, dass New Work Ansätze sich Vorteile davon versprechen, Mitarbeiterbedürfnisse stärker in den Fokus zu rücken.
Das rechte Narrativ vom "woken Arbeitsplatz" greift genau hier an – und hat leichtes Spiel, wenn New Work nur noch mit Fokus auf Wellness erscheint. Die Polarisierung ist hausgemacht, solange die Konzepte keine tragfähigen Antworten auf die Bedürfnisse beider Seiten, Mitarbeitende wie Unternehmen liefern.
Scheitert Selbstorganisation in der Krise? Der Ruf nach starker Führung wächst
In einer Welt multipler Krisen – Klimakrise, geopolitische Spannungen, digitale Disruption – erleben viele Unternehmen nun einen Reflex zur Re-Zentralisierung. Die Politik macht es vor, der kulturell tief verankerte Glaubenssatz lautet: "In der Krise braucht es starke Führung."
Selbstorganisation erscheint unter diesem Blick als Luxusprojekt. Gerade wenn Menschen müde, unsicher oder überfordert sind, scheint es naheliegend, wieder auf klare Ansagen, stabile Hierarchien und klassische Führungsrollen zu setzen.
Auf der anderen Seite wird “Agile Leadership” verteidigt: Die Zufriedenheit der Mitarbeitenden sei ja kein Selbstzweck – sie steigere die Leistungsfähigkeit der Teams, reduziere Fluktuation und beuge innerer Kündigung vor. Weniger Recruiting, weniger Onboarding, mehr Identifikation – so das Argument. Und: Ohne echte Beteiligung könne eine Organisation nicht schnell und flexibel genug auf Veränderung reagieren.
Die pragmatische Gegenreaktion lautet oft: „Wir haben keine Zeit für Personalentwicklung. Wir brauchen Ergebnisse – jetzt.“ Beteiligungsformate, die auf Konsens und Partizipation setzen, erscheinen langsam, konfliktreich und unklar in der Verteilung von Verantwortung. Der Vorwurf: Am Ende entscheidet niemand – oder alle ein bisschen. Und das sei das Gegenteil von Führung.
Was hier entsteht, ist eine unnötige Polarisierung mit argumentativen Strohmännern: Selbstorganisation auf der einen Seite, „echte Führung“ auf der anderen. Bedürfnisorientierung gegen Ergebnisverantwortung. Weiche Werte gegen harte Realität. In Wahrheit aber brauchen Unternehmen, die langfristig überleben wollen, beides: eine klare strategische Ausrichtung und eine Kultur, in der Führung und Verantwortung breit verteilt sind. Die Frage lautet nicht: “Was ist besser, klassische Führung oder agile Konzepte?” Die Frage ist vielmehr: “Wie schaffen wir eine Form von Führung, die Komplexität bewältigen kann – ohne dabei in autoritäre Muster oder in diffuse Verantwortungsvermeidung zu kippen?”
Anmerkung:
Im Text verwende ich den Begriff Selbstorganisation in Anlehnung an den Sprachgebrauch im New-Work- und Management-Kontext, wo er häufig synonym mit Selbstmanagement verwendet wird. Tatsächlich bezeichnet Selbstmanagement eher die individuelle Planung und Steuerung der eigenen Arbeit, während Selbstorganisation stärker auf die kooperative Koordination innerhalb eines Systems verweist. Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffs meint eher das emergente Entstehen von Ordnungsstrukturen ohne zentrale Steuerung und liegt auch meiner Perspektive näher. Für die bessere Lesbarkeit und Auffindbarkeit des Textes orientiere ich mich jedoch an der geläufigeren Management-Sprache – und verwende Selbstorganisation im Sinne von verantwortlicher Selbststeuerung innerhalb einer Rollen-Organisation auf Basis eines expliziten gemeinsamen Regelwerks.
Eine neue Theorie X und Y? Warum auch New Work in alte Menschenbilder zurückfallen kann
Doch könnte es sein, dass nicht nur die Kritiker:innen von Selbstorganisation einem überholten Menschenbild folgen – sondern auch viele ihrer enthusiastischsten Verfechter:innen? Was, wenn der Umgang mit Konzepten wie Empowerment, Potenzialentfaltung oder psychologische Sicherheit oft ein paternalistisches Verständnis von Führung maskiert – nur eben im empathischen Tonfall?
Vielleicht ist es an der Zeit, unsere impliziten Menschenbilder neu zu reflektieren. Meine These: Auch in New Work und agiler Führung tappen wir immer wieder in die alte X-Falle. Wir trauen Menschen oft nicht wirklich zu, Verantwortung zu übernehmen – sondern meinen, sie von Führungskraft oder Coach zu Mitarbeiter empowern, begleiten oder „abholen“ zu müssen. Damit reproduzieren wir subtil genau das Menschenbild, das wir zu überwinden glaubten und bestätigen damit unbewusst die falsche Polarität der autokratischen Hardliner. Eine selbsterfüllende Prophezeiung.
Vielleicht ist es Zeit für eine neue Version von X und Y - und für Unternehmensstrukturen und -prozesse, die aus einem echten Menschenbild Y emergieren.
Theorie X und Y – kurz erklärt
Bereits in den 1960er-Jahren unterschied der Sozialpsychologe Douglas McGregor zwei grundlegende Menschenbilder, die er X und Y nannte. Beide beeinflussen – bewusst oder unbewusst – wie wir in Unternehmen Verantwortung denken und gestalten.
Menschenbild X geht davon aus, dass Mitarbeiter eher arbeitsscheu sind, Verantwortung meiden und klare Anweisungen benötigen. Menschenbild Y hingegen beschreibt den Menschen als grundsätzlich motiviert, lern- und verantwortungsbereit – vorausgesetzt, die Rahmenbedingungen stimmen.
Nun berufen sich viele New-Work-Ansätze explizit auf Menschenbild Y und versuchen, mit Sinnstiftung, autonomiefördernden Arbeitsweisen und kollektiven Entscheidungsmethoden die geeigneten Rahmenbedingungen für Verantwortungsbereitschaft bereitzustellen. Doch recht schnell kommt in solchen Transformationsprozessen die Frage auf, ob denn die Beteiligten wohl das passende „agile Mindset“ hätten. Es wird dann implizit davon ausgegangen, dass Menschen erst befähigt und entsprechend "empowert" werden müssen, um Verantwortung zu übernehmen. Wie dieses Empowerment jedoch jenseits von Appellen an bestimmte Werte wie Mut, Offenheit, Fehlertoleranz, Innovationsfreude, etc. aussehen sollte – da fehlt häufig die Idee.
So entsteht eine paradoxe Dynamik: Während man Y propagiert, greifen viele – oft unbemerkt – auf die Logik von X zurück. Etwa wenn Menschen nicht direkt Verantwortung übertragen bekommen, sondern erst durch Coachings, Schulungen oder „Mindset-Arbeit“ dafür reif gemacht werden sollen. Diese Haltung wirkt unterstützend, ist aber paternalistisch in ihrer Struktur: Sie unterstellt Defizite, statt auf bereits vorhandene Kompetenzen und Potenziale zu vertrauen – ein performativer Widerspruch. In selbstorganisierten Unternehmen, die klassische Hierarchien abbauen, schleichen sich so alte Kontrollmuster durch die Hintertür wieder ein – nur mit neuer Sprache und guter Absicht getarnt.
Menschenbild X im System der Selbstorganisation: wenn Unterstützung entmündigt
Selbst dort, wo sich Führungskräfte, Coaches und Organisationsentwickler:innen ausdrücklich auf Menschenbild Y beziehen, können sich Muster von X durch die Hintertür einschleichen. Besonders dann, wenn Unterstützung zum Vorwand wird, um Kontrolle auszuüben – oder Verantwortung zurückzuhalten. Die folgenden Beispiele illustrieren, wie sich ein paternalistisches Menschenbild heute äußern kann – freundlich formuliert, aber strukturell entmündigend.
Die fürsorgliche Führungskraft
„Ich will niemanden überfordern. Deshalb frage ich lieber nochmal nach, bevor ich jemandem eine Entscheidung zumute.“
➡️ Klingt empathisch – reproduziert aber das Bild, dass Mitarbeitende nicht selbstverantwortlich entscheiden können.
Der Agile Coach mit Empowerment-Fokus
„Mein Ziel ist es, die Leute zu empowern, damit sie irgendwann Verantwortung übernehmen können.“
➡️ Impliziert: Jetzt können sie es (noch) nicht – also entscheide ich (noch) für sie. Verantwortung wird aufgeschoben.
Der Transformationstreiber im 'Wir holen alle ab'-Modus
„Bevor wir Strukturen verändern, müssen sich die Menschen emotional sicher fühlen.“
➡️ Klingt sozial kompetent – verzögert aber häufig notwendige strukturelle Klärungen und führt zu Ambivalenz.
Die Prozessbegleiterin mit Sicherheitsnetz
„Wir lassen die Rollenbeschreibungen lieber vage, damit sich alle darin wiederfinden können.“
➡️ Klingt offen – führt aber dazu, dass Verantwortung verschwimmt und niemand wirklich entscheidet.
Der systemische Coach mit Fokus auf Beziehung
„Bevor ich mit dir über deine Rolle spreche, will ich erstmal schauen, wie du dich im Team fühlst.“
➡️ Beziehung vor Struktur – das kann hilfreich sein, aber auch Verantwortungsvermeidung begünstigen.
Führung mit Menschenbild X – eine selbsterfüllende Prophezeiung
Wenn ich als Führungskraft mit einem Menschenbild X auf mein Team blicke, deute ich Zögern oder Unsicherheit als mangelnde Motivation – oder als Ausdruck von Überforderung. Also übernehme ich die Verantwortung selbst, treffe die Entscheidungen zwar möglicherweise in Abstimmung mit dem Team, aber letztlich selbst. Und dieses Muster etabliert sich als Erwartung im Team. Selbst wenn ich mal andere Absichten geäußert haben sollte, werden meine Team-Kolleginnen und Kollegen schnell lernen, dass ich bei allen wichtigen Entscheidungen das letzte Wort haben möchte.
Mit der Zeit erlebe ich mich als wirksamer als meine Kolleg:innen. Meine Entscheidungen führen zu Ergebnissen. Ich fühle mich verantwortlich – auch im Scheitern – und erlebe, dass mein Horizont offenbar weiter reicht als der meiner Mitarbeitenden. Natürlich bin ich dann auch die Person, die strategische Entscheidungen treffen sollte und bei den großen, Team-übergreifenden Themen am Entscheidertisch sitzen sollte. Ich beginne, mit mehr Überzeugung zu sprechen – und andere folgen mir. Was wie Führung aussieht, ist in Wahrheit eine selbsterfüllende Prophezeiung..
Alte Vorurteile, neue Verpackung? Menschenbilder X und Y weitergedacht
Die typischen Vorurteile gegenüber Mitarbeitenden und deren Fähigkeiten zur Selbststeuerung lassen sich in vielen Transformationsprozessen beobachten – oft selbst dort, wo man sich explizit auf Y beruft. Im Geist McGregors, aber orientiert an den Herausforderungen heutiger Unternehmen, lohnt daher ein neuer Blick auf das Menschenbild, das implizit unser Führungshandeln prägt.
Die folgende Grafik fasst typische Annahmen und Reaktionsmuster im Sinne eines verdeckten Menschenbilds X zusammen und kontrastiert sie mit einer zeitgemäßen Interpretation von Menschenbild Y – als Grundlage für Führung in komplexen, dynamischen Unternehmen:
Umgang mit Komplexität: Was Unternehmen heute leisten müssen
Komplexität ist längst keine Randerscheinung mehr – sie ist der Normalzustand moderner Unternehmen. Für erfolgreiche Unternehmensführung reicht es nicht mehr, auf Erfahrung, Intuition und Entscheidungsdominanz einzelner zu setzen. Was zählt, ist die Fähigkeit, unterschiedliche Perspektiven sinnvoll zu integrieren, ohne in Endlosdiskussionen oder Handlungsunfähigkeit zu verfallen.
Manche Organisationen versuchen, dieser Dynamik mit noch mehr Steuerung und Kontrolle zu begegnen – andere erkennen, dass ein anderer Modus nötig ist: Eher wie eine gut eingespielte Jazzband, die aufeinander hört, improvisiert und sich im Zusammenspiel orientiert – ohne Partitur, aber mit gemeinsamem Verständnis für Timing, Struktur und Richtung
Wie Komplexität interpretiert wird, sagt viel über das Menschenbild aus. Und dieses hat wiederum einen entscheidenden Einfluss darauf, wie eine Organisation mit Komplexität umgeht.
Menschenbild X: Führung bedeutet Kontrolle über Komplexität
Wer mit einem Menschenbild X auf Unternehmen blickt, geht davon aus: Die meisten Menschen sind mit zu viel Komplexität überfordert. Sie können ihren Arbeitskontext nicht ganzheitlich erfassen, sehen nur ihren Ausschnitt oder treffen Entscheidungen aus einer zu begrenzten Perspektive. Deshalb braucht es Führungskräfte mit Überblick – Menschen, die alles koordinieren, priorisieren und so „herunterbrechen“, dass andere es ausführen können. Komplexe Zusammenhänge werden in Teilaufgaben zerlegt, Mitarbeitenden werden überschaubare Bereiche mit klaren Grenzen und Leitplanken zugewiesen.
Doch dabei bleibt das eigentliche Problem bestehen: Die Vorstellung, dass Einzelne den Durchblick haben müssen. Andernfalls wird nicht das System verändert, sondern die Person ausgewechselt.
Statt die strukturelle Überforderung durch Komplexität anzuerkennen, wird sie individualisiert: Wer überfordert ist, gilt als ungeeignet. So kämpft man mit Bottlenecks an der Spitze, während das Potenzial vieler ungenutzt bleibt. Die Organisation bleibt abhängig von vermeintlich „starken Persönlichkeiten“ – und übersieht dabei, dass das Problem nicht im Individuum, sondern im System liegt.
Menschenbild Y: Komplexität verlangt nach kollektiver Intelligenz
Ein Menschenbild Y erkennt an: Die Welt ist zu komplex, um von Einzelnen – auch von den kompetentesten Führungskräften – vollständig überblickt zu werden. Diese Einsicht ist kein Defizit – sie ist der Ausgangspunkt für neue Formen von Führung und Entscheidungsfindung. Audrey Tang, Digitalministerin in Taiwan, beschreibt Demokratie nicht als Mehrheitsentscheidung, sondern als kollektive Intelligenz, die entsteht, wenn unterschiedliche Perspektiven strukturiert integriert werden – bei gleichzeitigem Verzicht auf persönliche Dominanz.
Genauso können auch Organisationen funktionieren: Nicht indem sie Komplexität ausklammern oder vereinfachen, sondern indem sie sie sichtbar und bearbeitbar machen – durch Strukturen, in denen Wahrnehmungen eingebracht, Bedeutungen ausgehandelt und Entscheidungen aus Dialog erwachsen.
Menschen tragen ihre Kenntnisse und Bedenken bei, wenn sie wissen, dass ihre Perspektive gehört wird – und wenn nicht befürchtet werden muss, dafür Nachteile zu erleiden. Das muss möglich werden, ohne dass eine Beliebigkeit entsteht. Ein System auf Basis von Menschenbild Y gewichtet Beiträge nach Relevanz – nicht nach Status.
Was ein System auf Basis von Menschenbild Y leisten muss
Ein Organisationssystem, das sich am Menschenbild Y orientiert, erkennt die Grenzen individueller Steuerung an – und schafft stattdessen Strukturen, in denen kollektive Intelligenz entstehen kann. Solche Systeme
- fördern die Verteilung von Entscheidungen auf viele Rollen – nicht auf wenige Köpfe.
- ermöglichen es, dass unterschiedliche Perspektiven schnell sichtbar und zugänglich werden.
- stellen sicher, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo die nötige Nähe zum Geschehen und zum Kontext vorhanden ist.
- enthalten Mechanismen, um Beiträge zu gewichten, ohne Status oder Beziehung als Maßstab zu verwenden.
- trennen strukturell zwischen dem Einbringen von Wahrnehmung und dem Tragen von Entscheidungsmacht – ohne die eine Ebene der anderen unterzuordnen.
- sorgen für maximal vertretbare Transparenz und Sichtbarkeit von Information, um kollektive Steuerung überhaupt zu ermöglichen
Ein solches System ist nicht chaotisch – es ist differenziert, prozesshaft und emergent. Und es ist nicht idealistisch – sondern realistisch gegenüber der Herausforderung, die Komplexität heute für Unternehmen darstellt.
Befähigung: Vom Defizitmodell zur Entwicklungskultur
Wenn in Unternehmen von „Befähigung“ gesprochen wird, sind damit oft über HR angebotene Trainings, Schulungen oder Beurteilungsgespräche gemeint. Und tatsächlich braucht es Wissen, Fähigkeiten und Rückmeldung. Doch das reicht nicht. Denn in einer Welt, in der Veränderung nicht nur schneller, sondern grundlegender wird, geht es nicht mehr nur um technisches Lernen – also darum, bekannte Probleme mit bekannten Methoden zu lösen. Es braucht adaptive Entwicklung: die Fähigkeit, mit neuartigen Herausforderungen umzugehen, für die es keine vorgefertigten Lösungen gibt.
Diese Unterscheidung wurde u. a. durch Ronald Heifetz und Marty Linsky geprägt, die mit ihrer Forschung zeigen: Technisches Lernen kann von außen (z.B. durch HR) gestaltet werden, adaptive Entwicklung nicht. Sie fordert die ganze Person – nicht nur ihre Fachlichkeit. Echte Befähigung entsteht v.a. im Tun. Wie beim Klettern mit Seilsicherung: Der Rahmen gibt Halt, aber der Weg muss selbst gegangen werden – mit realer Verantwortung, eigener Entscheidung und der Möglichkeit, (im sicheren Rahmen) zu scheitern.
Entwicklung wird so zum Kernprozess zukunftsfähiger Unternehmen – und zum Lackmustest für das zugrundeliegende Menschenbild.
Menschenbild X: Befähigung als Anleitung – Lernen als Defizitausgleich
In einem Menschenbild X gilt: Menschen wissen meist nicht, was sie können – oder was ihnen fehlt. Sie überschätzen sich oder unterschätzen sich. Deshalb brauchen sie Rückmeldung im Modus der Bewertung oder Korrektur – von außen, durch Personen mit mehr Überblick oder Erfahrung. Befähigung bedeutet hier: die Lücken anderer zu erkennen und gezielt zu schließen – durch Trainings, Tools oder pädagogische Maßnahmen. Entwicklung wird dabei vor allem als Vermittlung technischen Wissens verstanden – als Defizitausgleich.
Wer sich weiterentwickeln will, braucht Anleitung. Und wer nicht vorankommt, braucht eben mehr Anleitung. Es entsteht ein bildungsbürgerlicher Paternalismus, der Lernen mit Unterweisung gleichsetzt – und die Verantwortung für Befähigung bei Führungskräften, Coaches oder Berater:innen verortet. Der Einzelne wird gemäß einer instrumentellen Logik zum Objekt von Verbesserung – nicht zum aktiven Subjekt seiner eigenen Entwicklung.
Menschenbild Y: Entwicklung entsteht durch Beteiligung und geteilte Reflexion
Ein Menschenbild Y begreift Entwicklung als etwas anderes: nicht als bloßen Wissenszuwachs, sondern als Reifung durch Beteiligung. Wer lernt, wie man neue, komplexe Probleme einordnet, aushält und gemeinsam bearbeitet, entwickelt nicht nur Kompetenzen – sondern auch Urteilskraft, Selbstwirksamkeit und Orientierungssinn. Diese Form der Entwicklung ist adaptiv – sie entsteht nicht durch Belehrung, sondern durch Erfahrung, Reflexion und echte Verantwortung.
Chris Argyris’ Konzept des Double-Loop-Learning beschreibt diesen Prozess: Lernen findet nicht nur auf der Ebene des Verhaltens statt („Wie mache ich es richtig?“), sondern auf der Ebene der zugrundeliegenden Denk- und Deutungsmuster („Warum mache ich es überhaupt so – und was halte ich für möglich?“). Ein solcher Lernprozess gelingt am besten in Kontexten, die differenzierte Verantwortung ermöglichen und Reflexion einbetten – in echten Rollen, realen Entscheidungsprozessen und durch struktureller Teilhabe.
Auch Carol Sanford betont, dass Entwicklung nicht auf Bewertung basieren sollte, sondern auf der inneren Auseinandersetzung mit Wirkung, Verantwortung und Sinn. Ihr Verständnis von Feedback ist kein korrigierendes Spiegeln von Verhalten, sondern ein Dialog über Intention und Wirkung – immer eingebettet in den größeren Kontext der Wertschöpfung, in dem eine Person steht. Entwicklung geschieht dann nicht für jemanden, sondern durch ihn – mit klarem Bezug auf das, was wirklich bedeutsam ist.
Coaching und Feedback sind hier keine hierarchische Intervention, sondern geschehen im kollegialen Dialog. Befähigung heißt nicht: die anderen entwickeln. Es heißt: Systeme so zu gestalten, dass Entwicklung möglich wird – für alle, nicht nur für „Talente“. Entwicklung ist kein Förderprogramm – sondern ein Ausdruck gelingender Selbstorganisation.
Was ein System auf Basis von Menschenbild Y im Hinblick auf Befähigung leisten muss
Ein Organisationssystem, das sich an Menschenbild Y orientiert, betrachtet Entwicklung nicht als Defizitausgleich, sondern als strukturell eingebetteten Lernprozess. Es …
- fördert adaptive Lernprozesse, indem es Spannungen nicht vermeidet, sondern produktiv macht.
- ersetzt Leistungs-Bewertung durch situatives und häufiges gegenseitiges Feedback.
- erkennt an, dass jede Person Subjekt der eigenen Entwicklung ist – nicht bloß ein Objekt pädagogischer Maßnahmen.
- ermöglicht kollegiale Reflexion und Entwicklungspartnerschaften ohne hierarchische Abhängigkeit.
Empowerment: Warum Ermächtigung oft das Gegenteil von Selbstwirksamkeit erzeugt
Empowerment ist eines der beliebtesten Schlagworte moderner Führung – und gleichzeitig eines der am meisten missverstandenen. Was auf den ersten Blick nach Ermutigung und Potenzialentfaltung klingt, führt in der Praxis oft zu neuen Abhängigkeiten. Denn allzu häufig bedeutet „Empowerment“: jemand anderes gibt dir die Erlaubnis, dich zu zeigen.
Doch echte Selbstwirksamkeit entsteht nicht aus emotionaler Bestärkung, sondern aus klaren, mitgestaltbaren Rahmenbedingungen – wie bei einem Fußballspiel, das nur dann frei gespielt werden kann, wenn das Feld gut markiert ist, die Regeln bekannt sind und allen Spielern offensteht, sich in die Gestaltung des Spiels und der Taktik einzubringen.
Gerade in selbstorganisierten Kontexten lohnt sich ein genauerer Blick: Was bedeutet Empowerment eigentlich – und welches Menschenbild liegt dem zugrunde?
Menschenbild X: Empowerment braucht Empowerer
Ein Menschenbild X geht davon aus: Viele Menschen fühlen sich kleiner, als sie eigentlich sind. Sie zweifeln, ducken sich weg, bleiben unter ihren Möglichkeiten. Damit sie sich zeigen, mutiger werden und Verantwortung übernehmen, brauchen sie jemanden, der sie ermutigt – oder sogar „ermächtigt“. Empowerment wird zur aktiven Handlung einer außenstehenden Instanz: Eine Führungskraft oder ein:e von HR beauftragte Coach „gibt“ Selbstvertrauen, „sieht“ Potenziale und „glaubt“ an die Person.
So gut das gemeint ist – strukturell bleibt es asymmetrisch: Die empowerten Personen sind auf die Anerkennung oder Zuwendung anderer angewiesen. Ihr Zugang zu Verantwortung, Sichtbarkeit oder Gestaltungsspielraum bleibt vermittelt – und damit abhängig. Empowerment wird zur freundlichen Form von „Macht über“ – nicht zu einer echten Verschiebung der Bedingungen.
Menschenbild Y: Selbstwirksamkeit entsteht in transparenten und mit-gestaltbaren Strukturen
Ein Menschenbild Y versteht Empowerment nicht als emotionale Geste oder pädagogische Maßnahme – sondern als Ergebnis gut gestalteter Rahmenbedingungen. Menschen erfahren sich als selbstwirksam, wenn sie in einem System agieren, das ihnen nicht situativ Erlaubnis gibt, sondern grundsätzlich Zugang schafft: zu klaren Verantwortlichkeiten, transparenten Entscheidungswegen und verbindlichen Regeln, die für alle gleichermaßen gelten.
Und: Diese Strukturen und Regeln sind nicht starr, sondern veränderbar – durch Prozesse, die für alle Beteiligten zugänglich und legitimiert sind. Meta-Kommunikation über Macht, Grenzen und Mitgestaltung wird dadurch explizit eingeladen.
Empowerment zeigt sich dann nicht daran, dass jemand „an mich glaubt“ – sondern daran, dass ich weiß, wie ich selbst Einfluss nehmen kann: auf meine Rolle, auf die Entscheidungsprozesse, auf die Regeln, nach denen wir arbeiten. Wie Carol Sanford schreibt: „Empowerment kann nicht gegeben werden. Es muss in Anspruch genommen werden – nicht durch Strukturen, die Gefügigkeit belohnen, sondern durch solche, die es ermöglichen beizutragen.“ – Carol Sanford, The Regenerative Business.
Was ein System auf Basis von Menschenbild Y leisten muss – im Blick auf Empowerment
Ein System, das sich an Menschenbild Y orientiert, versteht Empowerment nicht als Geste, sondern als strukturelle Ermöglichung von Mitverantwortung. Es …
- schafft klare Regeln und Prozesse, die für alle Beteiligten gleichermaßen gelten.
- macht Entscheidungswege transparent, nachvollziehbar und konsistent.
- bietet legitime, zugängliche Verfahren zur Veränderung der bestehenden Organisationsstruktur.
- entkoppelt Beteiligungschancen von Beziehung, Status oder Sprache.
- ermöglicht Gespräche über Macht und Begrenzung – ohne sie zu individualisieren oder zu tabuisieren.
Zugehörigkeit und Verbundenheit: Zwischen emotionalem Bedürfnis und strukturellem Rahmen
Zugehörigkeit ist ein tiefes menschliches Bedürfnis – und zugleich eines der sensibelsten Themen in Organisationen. Wer sich nicht zugehörig fühlt, zieht sich zurück. Wer sich nicht sicher fühlt, übernimmt keine Verantwortung. Vertrauen, Offenheit und Mut zur Gestaltung entstehen dort, wo Mitarbeitende sich gesehen, respektiert und eingebunden fühlen. Wie eine Feuerstelle in der Mitte: ein Ort, an dem sich Menschen freiwillig versammeln, weil er Wärme gibt. Wer näher rückt, tut das aus Verbundenheit, nicht aus Zwang – und darf auch wieder aufstehen.
Doch genau hier drohen gut gemeinte Maßnahmen oft ins Gegenteil umzuschlagen. Denn Zugehörigkeit lässt sich nicht verordnen – und Verbundenheit entsteht nicht durch Appelle. Echte Resonanz hat ein Element der Unverfügbarkeit. Die Art, wie Unternehmen mit dem Thema umgehen, sagt viel darüber aus, welches Menschenbild sie prägt.
Menschenbild X: Zugehörigkeit braucht emotionale Sicherheit – und jemanden, der sie herstellt
Ein Menschenbild X geht davon aus: Mitarbeiter brauchen einen „sicheren Hafen“, bevor sie sich zeigen, Verantwortung übernehmen oder Fehler riskieren können. Dieses Sicherheitsgefühl – so die Annahme – kann eine Führungskraft aktiv herstellen: durch Beziehungsarbeit, emotionales Kümmern, durch gezielte Vertrauensbildung.
Oft ist damit die Erwartung verbunden, dass Führungskräfte oder Coaches Zugehörigkeit erzeugen sollen – indem sie Räume „öffnen“, Begegnungen „gestalten“, emotionale Offenheit „vorleben“.
Die Kehrseite: Wer sich nicht in solchen Formaten zeigen möchte oder anderen Ausdrucksformen von Nähe bevorzugt, läuft Gefahr, als schwierig, distanziert oder beziehungsunfähig wahrgenommen zu werden.
Wird das Gefühl von Zugehörigkeit zur Eintrittskarte für Verantwortungsübergabe, schürt das implizite Erwartungen und die Angst vor sozialem Ausschluss.
Menschenbild Y: Zugehörigkeit entsteht dort, wo Räume freiwillig und gleichwertig gestaltet werden
Ein Menschenbild Y anerkennt, dass soziale Bedürfnisse individuell verschieden sind – in ihrer Ausprägung, Ausdrucksform und Relevanz. Zugehörigkeit und Verbundenheit entstehen nicht dadurch, dass sie jemand erzeugt – sondern dort, wo Kolleginnen und Kollegen selbst Einfluss darauf nehmen können, wie und in welchen Räumen sie einander begegnen.
Voraussetzung dafür ist eine bewusste Unterscheidung zwischen organisationalen und sozialen Räumen der Zusammenarbeit, bzw. der Begegnung. Wenn operative Abstimmung, Entscheidungsprozesse und Rollenklärung in funktionalen Strukturen stattfinden, entlastet das die sozialen Räume – und ermöglicht dort freiwillige Begegnung. Jede Person kann dann selbst entscheiden, wie viel Nähe, Austausch oder persönliche Verbindung sie braucht und einbringen will – ohne dafür belohnt oder sanktioniert zu werden.
So entsteht Zugehörigkeit nicht als emotionale Bedingung für Teilhabe – sondern als Erfahrung von Wahlfreiheit, Relevanz und respektierter Unterschiedlichkeit.
Was ein System auf Basis von Menschenbild Y leisten muss – im Blick auf Zugehörigkeit
Ein System, das Zugehörigkeit nicht herstellen, sondern ermöglichen will, schafft Bedingungen, die …
- soziale und operative Räume klar voneinander unterscheiden – und jeweils zugänglich machen.
- Beteiligung nicht an Beziehungs-Engagement knüpfen, sondern an klare Rollen und Prozesse.
- Beteiligte nicht zu Offenheit drängen, sondern Wahlfreiheit und Verschiedenheit im Verhalten respektieren.
- soziale Räume anbieten, aber nicht erzwingen – und Rückzug nicht sanktionieren.
- Zugehörigkeit als Ergebnis von Mitgestaltung und gemeinsamer Relevanz begreifen.
Umgang mit Veränderung: Von Change-Management zu Veränderungskultur
Dass Organisationsstrukturen, Kunden, die Vision, der gemeinsame Fokus und eine Vielfalt an Prozessen ständig im Wandel sind, das ist mittlerweile anerkannter Alltag in den meisten Unternehmen. Veränderung ist kein Projekt mit Anfang und Ende, sondern ein ständiges Navigieren. Man kann nicht die Welle kontrollieren – nur lernen, auf ihr zu reiten. Dafür braucht es Praxis, Gleichgewicht und ein gutes Gespür für den Moment.
Doch wie eine Organisation mit Veränderung umgehen kann, hängt maßgeblich von ihrem Menschenbild ab.
Menschenbild X: Veränderung muss gesteuert und begleitet werden – sonst überfordert sie
Ein Menschenbild X sieht Change als potenziell bedrohlich: Etwas, das Mitarbeiter verunsichert, Widerstand auslöst und nur durch gezielte Kommunikation und Führung gemanagt werden kann. Die Annahme lautet: Auch wenn Veränderungsnotwendigkeit rational verstanden wird, braucht es emotionale Begleitung, „Abholen“, wiederholte Erläuterung – und jemanden, der sicherstellt, dass niemand abgehängt wird.
Daraus folgt eine hohe Verantwortung auf Seiten der Führung: Wandel muss orchestriert, erklärt und psychologisch begleitet werden. Die Mitarbeiter gelten als anfällig für Rückzug, Missverständnisse oder Verweigerung – nicht als aktiv gestaltend, sondern als reagierend. Das führt oft zu Überlastung auf der einen und Rückzug auf der anderen Seite.
Menschenbild Y: Veränderungen sind normal – und werden durch Sinn und Mitgestaltung fruchtbar
Ein Menschenbild Y geht von einem anderen Verständnis aus: Alle Akteure einer Organisation sind grundsätzlich anpassungsfähig. Sie erleben täglich Veränderungen in ihrem privaten und beruflichen Leben – mal als Entwicklung, mal als Zumutung. Entscheidend ist nicht, ob sich etwas verändert, sondern ob die Betroffenen die Möglichkeit haben, Veränderungen zu deuten und selbstwirksam mitzugestalten.
Eine Organisation, die regelmäßig Räume für gemeinsame Bedeutungsgebung schafft – etwa durch transparente Strategiearbeit, partizipative Entscheidungsformate oder retrospektive Lernräume –, fördert diese Fähigkeit aktiv. Sie ermöglicht es ihren Mitgliedern, eigene Erfahrungen mit übergreifenden Entwicklungen zu verbinden und sich darin handlungsfähig zu erleben.
Das erhöht nicht nur die individuelle Resilienz, sondern stärkt auch die kollektive Anpassungsfähigkeit. Statt fragiler Steuerung entsteht eine Form von organisationaler Antifragilität – weil Veränderungen nicht kompensiert, sondern integriert werden.
Was ein System auf Basis von Menschenbild Y leisten muss – im Blick auf Veränderungen
Ein System, das Veränderungen nicht zentral managen, sondern dezentral nutzbar machen will, schafft Bedingungen, die …
- regelmäßige Räume zur Reflexion und Bedeutungsgebung eröffnen.
- strategische und kulturelle Entwicklungen transparent machen und anschlussfähig gestalten.
- Veränderungen nicht als Ausnahme behandeln, sondern als Teil des Alltags.
- individuelle Deutungsprozesse anerkennen – ohne sie zu pathologisieren.
- Verantwortung für Lösungen breit verteilen – über Rollen, nicht über Beziehungen.
Drei Prinzipien wirksamer Führung in Organisationen
Wer Selbstorganisation ernst nimmt, muss auch Führung neu denken. Menschenbild Y liefert dafür einen anderen Ausgangspunkt: Es bringt Bewegung in die oft polarisierte Debatte zwischen technokratischer Steuerung und menschlicher Bedürfnisorientierung. Statt Kontrolle oder Kuschelkurs geht es um ein Führungsverständnis, das Verantwortung und Leadership differenziert verteilt, Orientierung stiftet – und gleichzeitig Beziehung und Beteiligung ermöglicht. Drei Prinzipien beschreiben, worauf es dabei ankommt:
1. Verantwortung klar und transparent zuordnen
Wirksame Führung beruht nicht auf Appellen – sondern auf expliziter Verantwortlichkeit, die von kompetenten Menschen getragen wird. Konkret heißt das:
- Für jede relevante Entscheidung ist klar, welche Rolle die Verantwortung trägt – damit sie nicht wie eine heiße Kartoffel im Team hin- und hergereicht wird
- Die Person, die die Rolle führt, verfügt über das nötige Kontextwissen oder holt sich gezielt Beratung im Team.
- Legitimation entsteht in Teams, wenn die Rolle mit der Person besetzt ist, die Glaubwürdigkeit und Vertrauen im sozialen Umfeld genießt. Hier hat Hierarchie ihren rechtmäßigen Platz – nämlich in Form der Kompetenzhierarchie.
2. Führung als Prozess begreifen, der gemeinsam erzeugt wird
Führungsstärke ist keine Eigenschaft, die Einzelne besitzen – sie entsteht im Zusammenspiel zwischen Personen. Verantwortlichkeit wird nicht einfach „übernommen“ oder „übertragen“ – sie wird gemeinsam erzeugt. Zwei zentrale Aspekte von Führung sind Macht und Vertrauen – und beide entstehen wechselseitig.
Macht erhält jemand, weil andere bereit sind, sich beeinflussen zu lassen. Nur wenn jemand einer Person Einfluss zuschreibt und ihr folgt, entsteht Führung im eigentlichen Sinne. Ohne diese Zuschreibung bleibt Machtausübung wirkungslos – oder wird als Kontrollversuch empfunden.
Ähnlich verhält es sich mit Vertrauen: Es kann nicht eingefordert werden. Wer sagt: „Vertrau mir einfach“, stößt oft auf Widerstand oder Resignation. Vertrauen entsteht nur, wenn wiederholt erlebbar wird, dass eine Person im Sinne gemeinsamer Werte und Ziele handelt – und bereit ist, Unterschiede in Wahrnehmung, Qualität oder Lösungswegen aktiv und transparent zu klären.
Gelingende Führung besteht also darin, Bedingungen zu schaffen, unter denen Vertrauen wachsen und Einflussnahme auf Augenhöhe geschehen kann. Das gelingt nur im Zusammenspiel – nie allein.
Zugleich verändert sich der Ort der Führung: In einer Organisation, die auf Rollen und nicht auf Positionen setzt, kann (und muss) sich Führung kontextabhängig und wechselseitig vollziehen. Wer in einem Thema Expertise hat, kann temporär führen – und in einem anderen Bereich folgen. Diese Form der Shared Leadership macht Führung fluider und dynamischer – ohne sie beliebig zu machen.
Das Potenzial eines solchen Verständnisses liegt auf der Hand: Führung wird dort wirksam, wo sie gerade gebraucht wird. Nicht weil jemand „oben“ sitzt, sondern weil jemand im richtigen Moment Verantwortung übernimmt – legitimiert durch Klarheit, Vertrauen und die Zustimmung anderer. So entstehen Systeme, die anpassungsfähig bleiben – nicht trotz, sondern wegen verteilter Führung.
3. Unterschiedlichen Kapazitäten Rechnung tragen
Nicht jede:r kann jede Verantwortung übernehmen – und das ist kein Makel. Komplexität fordert Unterscheidung:
- Verantwortliche Führung braucht Personen, die in der Lage sind, relevante Informationen wahrzunehmen, zu integrieren und handlungsfähig zu bleiben – auch unter Unsicherheit - Stichwort VUCA.
- Diese Kapazität ist nicht (nur) ein Skill, sondern Ausdruck innerer Reife und Verarbeitungskompetenz. Die Organisation kann diese Reifung unterstützen, aber nicht verordnen.
- Es ist schädlich, Personen einen größeren Verantwortungsumfang zu geben, als sie (derzeit) halten können – selbst wenn dies aus einem Wunsch nach Augenhöhe oder Wertschätzung geschieht.
Ein System, das Verantwortung ermöglicht
Was braucht es also, damit verantwortliche Führung nicht dem Zufall oder dem Idealbild charismatischer Einzelpersonen überlassen bleibt? Eine Organisation, die sich an Menschenbild Y orientiert, gestaltet Strukturen, die:
- für jede Entscheidung die geeignetste Person in legitimierter Rolle sichtbar machen,
- Entscheidungsprozesse standardisieren, um relevante Informationen und Perspektiven unabhängig von individuellen Kommunikationsfähigkeiten leicht integrieren zu können
- Führungsverantwortung dynamisch und ohne Statusverlust neu verteilen können – z. B. durch transparente und flexible Rollen statt starrer Stellen.
Ein Beispiel dafür ist die holakratische Praxis: Ein Betriebssystem für Organisationen, das klassische Managementhierarchien durch verfassungs-basierte Rollen und klare Entscheidungsprozesse ersetzt. Diese Organisationsform bietet einen expliziten und kohärenten Rahmen, um Selbstorganisation und verteilte Führung in Rollen systemisch zu verknüpfen. Die Praxis zeigt: Dort, wo eine Organisation sich wirklich auf diesen Weg einlässt, entstehen klarere Verantwortungsbereiche, schnellere Entscheidungen und eine höhere Belastbarkeit in komplexen Situationen – nicht durch charismatische oder heroisch agierende Einzelne, sondern durch funktionierende Systeme.
Fazit: Das Menschenbild beeinflusst Selbstorganisation – und die Wirksamkeit von Strukturen
Der Rückschlag gegen Selbstorganisation und New Work ist nicht nur ein kultureller „Vibe Shift“, sondern auch eine Chance: für größere Klarheit. Für ein tieferes Verständnis dessen, was Selbstorganisation leisten kann – und was nicht. Für die Erkenntnis, dass es nicht reicht, auf Prinzipien oder Werte wie Vertrauen, Sinn oder psychologische Sicherheit zu setzen, wenn Strukturen fehlen, die Verantwortung tatsächlich verteilen.
Die zentrale Hypothese dieses Artikels lautet: Viele Konzepte, die sich explizit auf Menschenbild Y berufen, arbeiten in der Praxis nach wie vor mit impliziten X-Annahmen – nur im freundlicheren Gewand. Genau das macht viele Transformationsprojekte inkonsistent – und damit fragil.
Doch wer bereit ist, diese Widersprüche anzuerkennen, kann beginnen, neue, anti-fragile Organisationsformen zu gestalten: mit klaren Entscheidungsprozessen, verteilter Verantwortung, struktureller Reflexion und einer Führungskultur, die Menschen nicht „abholt“, sondern einlädt, mitzugestalten.
Und jetzt? Mögliche nächste Schritte
Wenn du als Führungskraft, Agile Coach, Begleiter:in von Transformationen oder Teil eines Teams die Herausforderung annehmen möchtest, dazu beizutragen, dass sich deine Organisation post-hierarchisch entwickelt, könnten folgende Schritte hilfreich sein:
1. Menschenbilder sichtbar machen
- Sprich mit Kolleg:innen oder Teams über Theorie X und Y – und darüber, wo ihr euch selbst wiedererkennt.
- Hilf dabei, gängige Zuschreibungen zu entlarven („Ich kann Verantwortung übernehmen – aber meine Kolleg:innen wollen / können das nicht.“).
- Achte darauf, wo Unterstützung in Bevormundung kippt und Mitarbeiter implizit wie Kinder gesehen werden.
2. Strukturen statt Appelle schaffen
- Unterstütze Führungskräfte dabei, sich nicht als „Entwickler:innen anderer Menschen“, sondern als Mitgestalter:innen eines Systems von Rahmenbedingungen und Verhaltensweisen zu verstehen.
- Frage: Wo fehlt es an klaren Entscheidungsräumen? Wo sind Rollen und Ziele unklar, Erwartungen unausgesprochen?
- Macht eure grundlegenden Erwartungen in Form von Regeln der Zusammenarbeit explizit. Erkläre, warum ein gutes Rahmenwerk mehr entlastet als dass es einschränkt.
3. Eigenes Handeln reflektieren
- Prüfe: In welchen Situationen tappst du selbst in die X-Falle – z. B. indem du andere „fördern“ willst, obwohl du ihnen nicht zutraust, selbst Verantwortung zu übernehmen?
- Wo springst du in Einzelfällen auf heroische Weise individuell ein, statt die generelle Problemlösefähigkeit der Organisation systematisch zu stärken? Wie unterstützt du die Organisation selbst dabei zu lernen?
- Welche systemischen Annahmen liegen deinem Handeln zugrunde?
4. Mit Rollen-Konzepten arbeiten
- Setze dich vertieft mit Konzepten wie Holacracy, Soziokratie, kollegialer Führung, dem Viable System Model oder anderen Praktiken verteilter Führung auseinander – nicht in der Readers-Digest Version, sondern in Form einer fundierten Auseinandersetzung.
- Achte auf Differenzierung: Nicht alles, was als New Work gilt, basiert auf einem kohärenten Systemdenken. Sei kritisch gegenüber oberflächlichem Buzzword Bingo.
5. Transformation neu denken
- Denke Transformation nicht als befristetes “Change-Programm” – sondern als langfristige Entwicklung verschiedener Systemebenen in mehreren Dimensionen: strukturell, kulturell, individuell.
- Hilf deiner Organisation, Räume zu schaffen, in denen sich Arbeitsweisen etablieren können – nicht durch Überzeugung, sondern durch Erleben.
- Ermögliche forschendes Handeln: mit Mut zur Imperfektion, aber klarem Blick für Wirkung.
Zum Schluss
Vielleicht hat dieser Text Resonanz in dir geweckt und du hast auch Lust, die Haltung zu erkunden, die in eurer Organisation möglicherweise zur einen oder anderen Struktur und Machtdynamik führt. Aus meiner Sicht kann das Versprechen nicht ein perfektes agiles und innovationsfreudiges und gleichzeitig effizientes System sein, ohne Redundanzen, stark geführt und menschenfreundlich, … (ergänze weitere einseitig positive Berater-Versprechungen nach deinem Geschmack). Die Einladung dieses Textes vielmehr ist ein Bekenntnis zum wachen, allen Beteiligten prinzipiell zugewandten Steuern unter Unsicherheit, wohl wissend dass wir uns immer nur bemühen können, Polaritäten hinreichend zu integrieren und Konflikte zu regulieren. Ich hoffe, du hast Freude daran.
📚 Literaturliste
Argyris, Chris (1991): Teaching Smart People How to Learn. Harvard Business Review.
→ Führte das Konzept des Double-Loop-Learning ein, das Lernen auf der Ebene zugrundeliegender Annahmen beschreibt.
Beer, Stafford (1972): Brain of the Firm. Wiley.
→ Entwickelte mit dem Viable System Model ein Strukturmodell zur Bewältigung organisationaler Komplexität.
Edmondson, Amy (1999): Psychological Safety and Learning Behavior in Work Teams. Administrative Science Quarterly.
→ Prägte den Begriff der psychologischen Sicherheit, der für lernende Organisationen zentral ist.
Heifetz, Ronald / Linsky, Marty (2002): Leadership on the Line: Staying Alive through the Dangers of Leading. Harvard Business School Press.
→ Unterscheidet zwischen technischem und adaptivem Wandel und betont Führung als Prozess kollektiver Entwicklung.
Kühl, Stefan (2020): Sinn und Unsinn von New Work.
→ Soziologische Kritik an New Work und Selbstorganisation – zeigt typische Missverständnisse und strukturelle Grenzen.
McGregor, Douglas (1960): The Human Side of Enterprise. McGraw-Hill.
→ Entwickelte die Theorie X und Y als Erklärungsrahmen für Menschenbilder in Organisationen.
Sanford, Carol (2017): The Regenerative Business. Nicholas Brealey Publishing.
→ Betont, dass echte Entwicklung nicht durch externe Rückmeldung entsteht, sondern durch systemische Einbettung und Selbstbeobachtung.
Sanford, Carol (2020): No More Feedback: Cultivate Consciousness at Work.
Plädiert für eine radikal andere Feedback-Kultur: Feedback nicht als Bewertung, sondern als dialogischer Impuls zur Selbstverantwortung
Schermuly, Carsten C. (2023): New Work – Gute Arbeit gestalten. Springer.
→ Herausgeber des jährlich erscheinenden New Work Barometers, ein wiederholtes Forschungsprojekt, das Trends und Spannungen der neuen Arbeitswelt sichtbar macht.
Taleb, Nassim Nicholas (2012): Antifragilität. Anleitung für eine Welt, die wir nicht verstehen. Hanser.
→ Entwickelt das Konzept der Antifragilität: Systeme, die unter Stress nicht nur standhalten, sondern besser werden.
Tang, Audrey (2022): Plurality: The Future of Collaborative Technology and Democracy.
→ Beschreibt digital orchestrierte Entscheidungsfindung als kollektiven Lernprozess. Führt den Begriff der „Collective Intelligence for Democracy“ ein und zeigt, wie Technologie Beteiligung ermöglicht, ohne auf Dominanzstrukturen zurückzugreifen.
Weiterführende Literatur zu New Work, Fürsorge und Verantwortung
BAuA – Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (2019): Stressreport Deutschland 2019. Dortmund: BAuA.
Flexopus (2023): New Work Studien: Eine Übersicht zum Stand der Wissenschaft.
Fraunhofer IAO (2022): Future Work Lab Trendstudie: Zukunft der Arbeit in Deutschland.
IAS Gruppe (2023): Herausforderungen der New Work für Beschäftigte und Führungskräfte.
Initiative Gesundheit und Arbeit (iga) (2022): New Work & Führung: Digital Leadership. iga.Kurzbericht.
Sagheenananjar, Namir (2023): Flat Hierarchies, Flat Growth. Bayer’s Failed Experiment w/ Dynamic Shared Ownership. Medium.
American Psychological Association (APA) (2021): Work and Well-being Survey Report.
Yang, B., Wang, Y., & Zhang, Y. (2022): Work stress, mental health, and employee performance: A serial mediation model. Frontiers in Psychology, 13, 1006580.

Eleonora Weistroffer
Eleonora Weistroffer, M.S.W, ist systemische Organisationsentwicklerin und zertifizierte Holacracy Coach und Trainerin bei Xpreneurs. Mit 20 Jahren Erfahrung in Beratung und Training begleitet sie langfristige Transformationsprozesse und gestaltet partizipative Prozessarchitekturen. Sie setzt sich für Arbeitsumgebungen ein, die Verantwortung, persönliches Wachstum und dezentralisierte Führung fördern.
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