Miras Ende bei Xpreneurs

Während wir mit der Welt da draussen gerne Anfänge mit ihrer innewohnenden Hoffnung, Freude und Frische teilen, tun wir uns oft schwer, auch Enden gleichermassen öffentlich zu würdigen. Auf jeden Fall tue ich mich schwer damit. Es ist so verlockend, ein schwermütiges Ende gleich wieder in einen erfrischenden Anfang zu verpacken, statt es einfach für einen Moment so stehen zu lassen, wie es ist: ein Ende. Etwas hört auf. Etwas hat nicht geklappt, nicht gepasst.
Und über Enden zu schreiben, bei denen man eigentlich gehofft hat, sie würden nie eintreten, fällt besonders schwer. Und trotzdem möchte ich es jetzt tun. Ich möchte mit dir teilen, wieso meine Zeit bei Xpreneurs bald zu Ende ist. 

Vor eineinhalb Jahren hat mich mein Weg zu Xpreneurs geführt. Mitten in einer Pandemie, doch alles hat gepasst: die Menschen, das Unternehmen, der Purpose. Und auch das Home Office war für mich ein grosser Luxus. Ich musste nicht pendeln, hatte total flexible Arbeitszeiten und konnte mich alleine Zuhause viel besser konzentrieren als in einem belebten Büro. 

Über die Zeit änderte sich das aber langsam und der anfängliche Luxus wurde immer mehr zu einer Belastung. Ich vermisste die echten Menschen und die sonst so unterschätzen beiläufigen Gespräche, vermisste es, während meiner Arbeit Dinge physisch in die Hand zu nehmen und meinen Körper räumlich mehr bewegen zu können (nein, kein Laufband vor dem Laptop, sondern das Treffen von unterschiedlichen Menschen an unterschiedlichen Orten zu unterschiedlichen Themen). 

Doch dieser Zustand war ja nur vorübergehend, pandemiebedingt, und vielen Menschen um mich ging es zu dieser Zeit ähnlich, also habe ich diese Belastungen nicht wirklich ernst genommen. Es würde sich ja alles wieder ändern und ich war noch immer zu froh über meine tollen Kolleg*innen bei Xpreneurs und zu dankbar um diesen Job, als das ich etwas hätte ändern wollen. Ich hatte so viele Freiheiten wie noch nie zuvor, durfte viel Verantwortung übernehmen und konnte mich überall weiterentwickeln, wo ich Lust dazu hatte. Ich war mir bewusst, wie selten man einen solchen Job in meinem Alter findet und wollte daher unbedingt an meinem festhalten und intern Lösungen für meine Belastungen suchen.

Dann mischte sich aber plötzlich mein Körper ein. Ich hatte starke Schwindelanfälle, Übelkeit über Wochen und wurde ständig krank. Etwas war offensichtlich nicht mehr in einem Gleichgewicht, doch meine Scham darüber, weniger leistungsfähig zu sein, liess mich diese körperlichen Symptome lange nicht ernst nehmen. Ich beendete zwar meine zwei Nebenengagements bei Vereinen, in der Hoffnung, mein Zustand würde sich so bessern, doch bei Xpreneurs setzte ich mich nur noch mehr unter Druck. Ich dachte, ich müsse mich nur zusammenreissen, dann klappe das schon wieder. Als wäre alles nur eine Frage des Willens und meiner anscheinend etwas faul geworden.

Ich riss mich also zusammen, Tag für Tag, und versuchte wieder zurück zu alter Produktivität zu gelangen. Doch statt Erfolgserlebnissen trat nur noch mehr Stress in mein Leben. Ich konnte in meiner freien Zeit nicht mehr abschalten, nicht mehr gesund essen, konnte fast nicht mehr einschlafen und am Ende konnte ich mich bei der Arbeit überhaupt nicht mehr konzentrieren. Mein Kopf, von dem ich immer dachte, er sei the last one standing, war in Realität der erste, der aufgab. Und genau dann kriegte ich Corona und damit 10 Tage auferlegte Pause. Mein Kopf war zwar zu nichts zu gebrauchen, was irgendwas mit Schreiben oder Reflektieren zu tun hatte, aber mein Körper war voll mit diesem Stress und intensiven Emotionen, die raus wollten. Also begann ich krank im Bett zu malen: farbig, wild, viel, intensiv, expressiv.

Da realisierte ich, dass ich physische Kreativität in meinem Job brauche, um gesund sein zu können. Ich muss Dinge in die Hände nehmen, fühlen, formen, ordnen, zeigen, kleben, bemalen, zerreissen, wegwerfen können. Sonst fehlt meinem Kopf etwas, sonst sind immer nur die gleichen Hirnareale aktiv und irgendwann überlastet. Und diese Kreativität muss ich regelmässig mit den Menschen, mit denen ich arbeite, real teilen können. Ich brauche einen physischen Arbeitsort, an dem man sich unmittelbar gegenseitig inspirieren, begeistern, korrigieren, begleiten, erleben und unterstützen kann. Ich brauchte das eigentlich schon immer, schon seit ich ein kleines Kind bin. Wie konnte ich das nur vergessen? Wie konnte ich so wichtige Teile in mir so lange abspalten, bis ich all meine Kraft verlor?

In den Wochen danach wurde mir immer klarer, dass ich diese physische Form der Arbeit in einem so digitalen Unternehmen wie bei Xpreneurs nicht erleben werde. Ich realisierte auch, dass meine Kolleg*innen diesbezüglich an einem anderen Punkt in ihrer Karriere stehen und andere Bedürfnisse haben. Sie haben in ihrer Arbeitslaufbahn schon viel direkten Kontakt mit Menschen gehabt und sind nun sogar dankbar für diese Rückzugsmöglichkeit ins eigene, private Büro: endlich weniger Reisen, endlich mehr Zeit zu Hause.
Mir wurde klar, dass sich deshalb und aufgrund unserer weit entfernten Standorte diese Situation bei Xpreneurs auch nach der Pandemie nicht so stark ändern würde, wie ich es bräuchte. Wie es mein Körper und Kopf bräuchten, um sich endlich ganz von dieser Erschöpfung erholen zu können.

Ich brauche das lebendige, reale Leben. Ich will mit all meinen eigenen Sinnen diese Welt der Arbeit erfahren und kreativ wirken können und mich dabei noch einmal neu entdecken. Herausfinden, was meine Aufgabe in dieser Welt ist, die ich so unbedingt zu einem besseren Ort machen möchte. Ich bin Xpreneurs unglaublich dankbar für all das, was ich diesbezüglich lernen durfte: dass es Unternehmen gibt, in denen ich selbst als Praktikantin ab dem ersten Tag grosse Verantwortung übernehmen darf; dass meine Spannungen wichtig und wertvoll sind für die Entwicklung des Unternehmens und ich den Mut haben darf, sie zu äussern; dass es Arbeitsorte gibt, wo alle gleichwertig behandelt werden und eine Kultur des Vertrauens herrscht; dass ich mit meinen Ideen viel in einem Unternehmen verändern kann; dass Meetings wirklich effizient sein können, wenn man sie gut moderiert und strukturiert; dass es sich lohnt, sowohl-als-auch-Lösungen zu suchen, statt in einem entweder-oder-Kampf hängen zu bleiben; dass es unglaublich viel Kraft und Verbindung schenkt, wenn man sich gemeinsam dem Unternehmenspurpose so verbunden fühlt; dass es ein System gibt, das Macht komplett neu verteilt und dass sich das eigentlich ganz natürlich anfühlt und ich immer so arbeiten möchte. Egal, wohin mich mein Weg nun führen wird.

Xpreneurs wird ein prägender Abschnitt in meinem Berufsleben bleiben, der mich mit all den freudvollen aber auch schmerzhaften Momenten ganz viel Neues über mich und die Welt gelehrt hat. Dank Elenor, Patrick und Dennis habe ich unglaublich viele neue Dinge und Ideen entdecken dürfen, die so viel Weisheit innehaben, dass sie wirklich die Welt verändern können. Mein Herz ist traurig, dass ich diesen Ort nun verlassen muss, aber ich weiss, dass es der richtige Entscheid ist. Denn jetzt steht eine neue Reise an…
…aber das ist eine andere Geschichte.

Patrick, Elenor und Mira beim Coworking in Miras Garten 2021

 

 

Miras Reise zu Xpreneurs