Bist du jemals unbefriedigt aus einem Holacracy Meeting gegangen? Dieser Artikel zeigt dir Tipps und Tricks, wie du dir in Holacracy noch besser holen kannst, was du für deine Rolle brauchst.
Wie man sich in Tactical Meetings holt, was man braucht
In die Holacracy Verfassung ist das Regelset von Getting-Things-Done (GTD) eingeflossen. Der GTD Schöpfer David Allen definiert ein “Projekt”als ein Ergebnis und grenzt es von einem “nächsten Schritt”ab, den man konkret tun kann. Ergebnisse, d.h. Projekte kann man nicht tun. Man erreicht sie, bzw. schließt sie ab, indem man konkrete nächste Schritte erledigt.
Die Definition eines Projektes als ein “Ergebnis”ist deshalb wichtig, weil es bedeutet, dass man vom Ende her denken sollte. Was muss wahr sein, damit deine aktuelle Spannung gelöst wäre? Du kannst es dir im ersten Schritt einfach mal vom Kreis wünschen, ohne dass du dir schon den Kopf darüber zerbrechen musst, wer was wie genau tun sollte. Hau einfach das gewünschte Ergebnis raus. Sei nicht scheu. Beschreibe den idealen Endzustand, der dir vorschwebt. Wünsch dir was – für deine Rolle!
- "Es ist geklärt, wie mit dem Kunden umgegangen werden soll"
- "Das Problem mit dem Webseiten-Formular ist behoben"
- "Die Rechnung ist neu erstellt worden und Rolle Kundenservice wurde benachrichtigt"
Der*Die Kreis-Sekretär*in sollte an diesem Punkt einfach das gewünschte Ergebnis erfassen. Das ist der erste Schritt.
Noch mal - wie genau das umgesetzt wird, das kann dir an dieser Stelle erst mal egal sein. Formuliere deinen gewünschten Endzustand einfach ungefiltert. Engagiere dich für die Bedürfnisse deiner Rolle.
Im zweiten Schritt fragt der*die Prozessmoderator*in, ob es schon eine Rolle gibt, wo diese Art von Arbeit natürlicherweise lebt. (Wir nehmen nicht an, dass das notwendigerweise der Fall ist. Vielleicht müssen wir eine solche Rolle durch Governance erst noch erschaffen.)
Falls es eine passende Rolle gibt, prima. Dann muss diese Rolle entscheiden, ob die Projektformulierung für sie so stimmig und nützlich ist und ggf. eine Umformulierung vorschlagen. Als Anfragende*r spüre hinein, ob eine Umformulierung immer noch deine ursprüngliche Spannung lösen würde.
Falls es keine passende Rolle gibt, frage das Projekt von der Rolle Kreis-Lead an. Falls das angestrebte Ergebnis dem Sinn und Zweck des Kreises dient, dann muss sie es annehmen und weiter verfolgen.
Alternativ kannst du auch die Kreismitglieder persönlich um einen Gefallen außerhalb ihrer Rolle bitte - diese Art Meeting Output wäre dann eine “individuelle Initiative”(der Begriff in Holacracy, der Arbeit kennzeichnet, die außerhalb von bestehenden Rollen stattfindet). Muss die Kreis-Lead Rolle oder die hilfsbereiten Kollegen dieselbe Art von Projekt mehr als einmal außerhalb existierender Rollen tun, so ist das ein Indiz dafür, dass ein wiederkehrendes Muster vorliegt und die entsprechende Verantwortlichkeit dafür in Governance geklärt werden sollte.
Die oben beschriebenen Tipps sind übrigens nicht auf Tactical Meetings begrenzt. Auch außerhalb der Meetings kann man sich im operativen Alltag jederzeit Projekte von seinen Kolleg*innen wünschen. Bei Unsicherheiten kann man einfach die Governance-Aufzeichnungen öffnen und prüfen, ob die angefragte Arbeit zur Beschreibung der Rolle passt.
Wie man sich in Governance Meetings holt, was man braucht
Auch in Governance Meetings gilt wieder das Motto “keine falsche Scheu”. Du hast eine Spannung, aber noch keinen ausgearbeiteten Vorschlag? Kein Problem. Wirf einfach unvorbereitet einen Agendapunkt ein und wünsche dir die für dich ideale Lösung!
Beim Schritt “Vorschlag vorstellen”darfst du laut denken und niemand darf dazwischen quatschen. Du willst ein wiederkehrendes Problem aus der Welt schaffen? Super. Schlag doch einfach mal eine Rolle vor, deren Job es ist, sich darum zu kümmern.
Hierbei kannst du die Formulierung des Sinn und Zwecks der neuen Rolle nutzen, um dir deinen Idealzustand zu wünschen. Hier einige Beispiele:
- Rolle Kund*innenservice: "Optimal versorgte und zufriedene Kund*innen"
- Rolle Datensicherheit: "Eine wasserdichte IT Security"
- Rolle Payroll: "Jede*r Mitarbeiter*in hat den Lohn pünktlich und zuverlässig auf dem Konto"
Es gibt hier eine Parallele zur Formulierung eines Projektes. Projekte haben ein klares Ende und bezeichnen einen gewünschten Endzustand. Der Sinn und Zweck bezeichnet im Grunde eine Art wiederkehrende Herstellung eines gewünschten Ideal- oder Endzustands.
Auch hier kann dir wieder egal sein, wie die betreffende Rollen diesen Endzustand erreicht. Nicht dein Problem. Du brauchst es einfach. Lass es die Rolle herausfinden, wie sie es umsetzt.
Falls du bei der Formulierung deines Vorschlags mal völlig auf dem Schlauch stehen solltest, dann hier noch zwei zusätzliche Tipps:
1) Bringe einfach einen schlechten Vorschlag
Der Holacracy-Pionier Brian Robertson erzählt die Anekdote, dass er mal partout keinen guten Vorschlag für Governance hatte. Also hat er einfach gesagt “Ich schlage vor, dass wir den Kunden feuern”. Das war natürlich in vielerlei Hinsicht ein furchtbarer Vorschlag, doch er erfüllt seinen Zweck insofern, dass er viele Bedenken und Einwände hervorrief, die dann integriert wurden. Dadurch entwickelte sich dann im Prozess schließlich doch noch ein passabler Vorschlag, der dann angenommen wurde. Die Moral von der Geschicht: Ein Vorschlag ist nur ein Startpunkt, nichts weiter. Vertraue dem Prozess. Er ist wie eine Wurstmaschine, in die du alles reinwerfen kannst. Dreh die Kurbel des Prozesses und am Ende kommt Wurst raus.
2) Bitte den Kreis um Hilfe
Während “Vorschlag vorstellen”kannst du auch um eine kurze Diskussion bitten, um einen initialen Vorschlag zu erstellen. Der*Die Prozessmoderator*in sollte hier nur darauf achten, dass die Diskussion sofort beendet wird, sobald ein roher Vorschlag entstanden ist, von dem du denkst, dass er deine Spannung lösen würde.
Fazit:
Sorge gut für deine Rolle. Trete für sie ein und stelle stets die Optimalforderung mit dem idealen Ergebnis, sei es nun in Form einer Projektanfrage oder in der Formulierung des Sinn und Zwecks einer neu zu schaffenden Rolle. Verlasse dich darauf, dass die anderen Rollen sich schon melden werden, falls sie das in ihrer eigenen Arbeit behindert oder die angefragte Arbeit nicht zu ihrer Rolle passt.
Diese Art von Spannungen zwischen Rollen werden vom Meetingprozess und von den Regeln der Zusammenarbeit in der Verfassung aufgefangen und sind insgesamt eine gute Sache, denn sie helfen dabei, die Arbeit zu klären. Erinnere dich daran, dass Holacracy die Bedürfnisse von Rolle und Mensch differenziert. Du musst es also nicht persönlich nehmen, wenn die Kollegin für ihre Rolle kämpft. Umgekehrt heißt das aber auch, dass du kein Blatt vor den Mund nehmen solltest, um dir für deine Rollen zu holen, was du brauchst.
Wünsch dir einfach was - selbst wenn du persönlich eher der Typ Leisetreter*in bist, der*die anderen keine Umstände machen will. Es sind nicht deine Bedürfnisse, sondern die Bedürfnisse deiner Rolle. Die Organisation hat ein Recht darauf, dass sie geltend gemacht werden und sobald du eine Rolle für die Organisation annimmst, hast du dich bereit erklärt, stellvertretend für die Organisation Spannungen wahrzunehmen und zu verfolgen. Also hol dir, was du für deine Rolle brauchst!
Ähnliche Artikel: